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haben, oder daraus, daß sie sich diese Einzelheiten unter den römischen Eroberern aneigneten
und sie dann plump nachahmten. Darum ist die Zeit der Gräber, die zwischen dem
IV. Jahrhundert vor und dem IV. Jahrhundert nach Christus schwankt, nicht genau fest-
zustellen. Wahrscheinlicher jedoch sind es Keltengräber einer verspäteten Eisenzeit aus deu
Jahrhunderten nach Christus.
Die ihrem Inhalte nach bemerkenswerthesten Grabhügel liegen auf dem Redouten-,
Pnrgstall- und Varisberge bei Ödenbnrg. Ans den durch mächtige Erdwälle geschützten
Gipfeln dieser Berge wohnten die Menschen in Grnben von sechs bis zwölf Meter Durch-
messer und zwei Meter Tiefe, die mit Steinen ausgelegt und mit Zweigen bedeckt waren.
Sie verbrannten ihre Todten außerhalb des Wallringes in ausgehobenen und mit Steinen
ausgelegten Gruben, über denen sie dann Hügel errichteten. In den letzten sechs Jahren
wurden auf diesen Berggipfeln etwa fünfzig Gräber geöffnet, aus denen über 300 Gefäße,
ans jedem 1 bis 18 Stück, größtenteils in kleine Stücke zerbrochen, ans Tageslicht kamen.
Sie sind sämmtlich aus wenig geschlemmtem Thon, ohne Benützung der Töpferscheibe, mit
freier Hand geformt und schwach gebrannt. Einige zeigen außen schwarze, innen graue
Glasur, auch kommen welche von röthlichgelber Farbe vor. Ihre Form ist sehr verschieden:
Schalen mit Fuß, gehenkelte, henkellose und doppelte Töpfchen, flache Schüsseln, Teller,
n. s. w. Ihre Größe wechselt vom kleinsten Napf bis zur Urne von 60 Liter Gehalt. Die
charakteristischeste Form ist die einer Halsurne mit engem Boden, plötzlich ausgebauchtem
Körper und kleiner Mündung. Es gibt einfache Exemplare ohne jeden Schmuck und auch
verschiedenartig ornameutirte. Die Elemente des Ornamentes sind: mit scharfem Instrument
in die Gefäßwaud eingegrabene Linien, besonders Dreiecke, Kreise, Schneckenlinien,
Perlenschnüre, ferner Furchen, aufgelegte Buckel, kleinere Knöpfe, Schnüre und Leisten.
Die Anordnung des Ornaments paßt sich stets dem Bau des Gefäßes an. Bei einigen
Halsurnen ist der Hals gleichfalls durch Figureu verziert, die aus eiugegrabeueu Linien
bestehen. Die sehr primitive, meist aus Dreiecke» zusammengestellte Zeichuuug der Figuren
erinnert an Stickmuster.
Unter den aus Thou verfertigten Gegenständen sind besonders erwähnenswerth die
vierfüßigen, halbmondförmigen, mit Furchen und Knöpfe» verzierten Gestelle, an denen
die einwärts gekrümmten Hörner des Halbmonds in Stier-, Widder- oder Hundeköpfe,
auch in Köpfe von nicht bestimmbaren Thieren enden. Zweck und Bedeutung dieser
Gebilde siud bisher noch nicht festgestellt.
Auch einige Halsringe und Nadeln aus Bronze und Eisen, bronzene Spangen,
eiserne Messerklingen, ferner emaillirte Glasperlen wurden in diesen Grübern gefunden.
Diese geringe Zahl von Metallgegeustäuden scheint darauf zu deuten, daß die Bewohner
dieser Niederlassung, die dem Stamm der Bojer angehörten, ein armes Volk waren.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (4), Band 16
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (4)
- Band
- 16
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.18 x 21.71 cm
- Seiten
- 616
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch