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so daß sie als Denkmäler der Baugeschichte Ungarns mitzählen. Die erste Hälfte jenes
Jahrhunderts, bis 1256, ist im ganzen Lande, besonders aber jenseits der Donau, die
letzte und zugleich fruchtbarste Epoche, die Glanzzeit des romanischen und Übergangsstils.
In kaum fünfzig Jahren entstand jenseits der Donau, besonders in den westlichen
Gegenden, eine ansehnliche Zahl von Bauwerken, die durch ihre unterscheidenden
Eigenthümlichkeiten und den damit verbundenen Kunstwerth Ungarn einen geachteten
Platz iu der Geschichte der mittelalterlichen Baukunst erworben haben. Es sind insgesammt
Ordenskirchen, Bauten der Benedictiner oder der im Jahre 1142 durch Geysa II., dann
Ende des XII. Jahrhunderts dnrch Bela III. direct aus Frankreich hereinverpflanzten
Cistercienser oder der zum ersten Male gleichfalls durch Bela III. berufenen Prämou-
stratenser. Sie zeichnen sich nicht durch Größe aus; den Bedürfnissen der Mönche
entsprechend sind sie von einfacher Anlage und weniger umfangreich, dafür aber Werke
voll künstlerischen Talents, voll Gewissen und echter Liebe.
Die Reihe beginnt mit der um 1208 erbauten Kirche zu Libeny im Wieselburger
Eomitat, die, wie es scheint, auch den übrigen als Vorbild gedient hat. Die Lsbeuyer
Kirche hat drei Schiffe, die durch zwei Reihen von je vier Pfeilern geschieden sind. Das
Mittelschiff hat keinen Langchor, sondern geht sogleich in den halbkreisförmigen Abschluß
über. Ebenso sind auch die beiden Seitenschiffe geschlossen. Gegen Westen hin trägt das
wesentlich verstärkte erste Pfeilerpaar die inneren Ecken der beiden Frontthürme, so daß
der untere Theil der Thürme die Fortsetzung der beiden Seitenschiffe bildet, während
der erste, zwischen die unteren Geschoße der beiden Thürme fallende Abschnitt des Mittel-
schiffes gleichsam als Vorhalle der Kirche dieut. Diese Anordnungsart wurde später bei
mehreren Kirchen befolgt, so daß sie durch die Gewohnheit zu einem unterscheidenden
Merkmal der trausdauubischen Baukunst dieser Zeit wurde. Das Juuere der Kirche hat
keinen anderen Zierath als die Pfeiler, welche, den Gurtbogen und den Graten des
Kreuzgewölbes entsprechend, dnrch vier größere und vier kleinere Halbsäulen gegliedert sind.
Die letzteren steigen bis zum unteren Rande des Gewölbes empor und gliedern so zugleich
die hohe Wand des Mittelschiffes. Die Pfeiler sind auch sonst reich gebildet. Jede Halb-
säule hat eine rechtwinkelige Basis und einen aus drei Gliedern bestehenden attisirenden
Fuß; die Ecken der Basis sind mit den Füßen durch Eckblätter von entwickelter
Bildung verbunden. Die Halbsänlen endigen oben mit einem Wulst; die kelchförmigeu
Eapitäle sind mit zwei Blätterreihen verziert; auf den stark herausgebogenen Blättern
der oberen Reihe scheint das Kämpfergesims zu ruhen, welches gleichfalls einen dreifach
gegliederten attischen Fuß, jedoch nach abwärts gekehrt darstellt. Die Vorhalle und
die uuter deu Thürmen befindlichen Abschnitte der Seitenschiffe haben fpitzbogige, die
übrigen Abschnitte rundbogige Gewölbe. Das Äußere ist uicht reich, jedoch bei aller
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (4), Band 16
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (4)
- Band
- 16
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.18 x 21.71 cm
- Seiten
- 616
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch