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geschaffen haben, die Schilderer aber vergesse» anzugeben, wer jene Schlösser gebaut,
wer sie so wunderbar geschmückt habe. Ein weiterer Mangel der Schilderungen ist, daß sie so
allgemein gehalten sind, das Äußere und das architektonische Wesen des Gebäudes gar
nicht bemerken, nur das Innere loben, aber auch dies, ohne dessen Zierwerk näher zu
kennzeichnen. Die Cassettendecke bildet die einzige Ausnahme, aus der man schließen kann,
daß die Säle der beiden Schlösser im Renaissancestil decorirt waren. Wenn wir in
Betracht ziehen, daß Chimenti Camicia, die Brüder Celliui, ja zu der Zeit, als er iu
Ungarn weilte, sogar Benedetto da Majauo eher Holzschnitzer und Kunstschreiner waren,
so scheint die Annahme berechtigt, daß die durch König Matthias eingeführte Renaissance
sich hier nicht mit einem Schlage völlig zur Geltung brachte, sondern daß sie sich in Vise-
gräd wie in Totis den schon bestehenden Bauten anpaßte, mit den Verhältnissen rechnen
mußte und daß die Aufgabe der Tischler-Architekten sich großentheils auf die Einzelheiten,
namentlich auf die innere Ausschmückung beschränkte. So stellen wir uus die Renaissancekunst
dieser beiden Königsschlösser jenseits der Donau vor. Etwas später, aber etwa auf dieselbe
Weise begann die neue Kunst in Frankreich heimisch zu werden, wo sie in fürstlichem
Gefolge ihren Einzug hielt, sowie in Deutschland, wohin sie durch Kaufleute uud in den
Skizzenbüchern einiger Künstler gelangte. In diesen Ländern hatte der Anfang auch eine
Fortsetzung; in Ungarn riß nach dem Anfang, dessen Schauplatz jenseits der Donan lag,
der Faden ab. Die Türkenzeit löschte Alles aus.
Die Türkenherrschaft hat zum Ersatz für all das, was sie in dieser Gegend vernichtete
oder dessen Vernichtung sie beförderte, gar wenig eigene architektonische Schöpfungen
hinterlassen. Fünfkirchen kann sich der hervorragendsten türkischen Bauwerke
rühmen. Es hatte seinerzeit elf Moscheen, von denen drei noch vorhanden sind. Die eine,
die jetzige Pfarrkirche der inneren Stadt, ist so groß, dass in der europäischen Türkei sich
wenige mit ihr vergleichen können. Sie ist eine quadratische Aulage, jede Seite 18 30 Meter
laug; oben in den Ecken geht durch eine gewölbte Nische das Viereck in ein Achteck über,
das eine aufschießende Trommel bildet, auf der dann die 40 Fuß 3 Zoll hohe Kuppel
ruht. Die Wirkung des Äußeren ist durch Anbauten späteren Ursprungs verdorben. In
türkischer Zeit standen vor ihr zwei schlanke Minarets; das eine ist schon früher zn Grunde
gegangen, das andere haben Ende des vorigen Jahrhunderts die Jesuiten abgetragen.
Die zweite Moschee, jetzt Krankenhanskapelle, ist etwas kleiner (jede Seite 12 80 Meter),
stimmt aber im Grundriß und Aufbau mit der erste» überein. Das vor ihr stehende
Minaret ist 27 Meter hoch. Die dritte uud kleinste Moschee befindet sich in verwahrlostem
Zustande und dient als Pulverthurm.
Das Ende der Türkenherrschast fällt in die Zeit der Barockarchitektur. Dieser
fiel die Ausgabe zu, die beschädigten Kirchen wieder herznstelleu und neue zu bauen.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (4), Band 16
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (4)
- Band
- 16
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.18 x 21.71 cm
- Seiten
- 616
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch