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im Kleinen betriebene Rösten, Brechen und Spinnen des Hanfes; doch gibt es in jedem
Dorfe am einfachen Webstuhl arbeitende Weber.
Die Lebensweise und geselligen Gebräuche sind im Ganzen die nämlichen,
wie in anderen Gegenden des Landes. Verlobungs- und Hochzeitsfeste, Namenstagsfeier,
sowie die sonstigen Familien- und Freundschaftsgebräuche haben sich im Vergleich zu den
früheren nur in soweit geändert, daß es jetzt keine kostspieligen, tagelang dauernden Gelage
mehr gibt und seit der Verwüstung der Weingärten kein Wein, sondern Branntwein
getrunken wird, der das Gemüth des Volkes spröder und düsterer macht, anderer schädlicher
Folgen zu geschweige». Lebensweise und Nahrung sind sehr einfach, aber gut. Selbst der
ärmste Kleinhäusler mästet in der Regel Schweine, deren Schmalz und Rauchfleisch ihm
die Küche bis ins späte Frühjahr hinein versorgen. Auch im Sommer und Herbst ißt er
Fleisch, aber meist nur Schaffleisch, da zu dieser Zeit in den Dörfern, die meistens klein sind,
Rindvieh nur selten geschlachtet wird. Die Hauptnahrung sind Mehlspeisen und Hülsen-
früchte. Grünzeug und grünes Gemüse ißt der ungarische Bauer in diesem ganzen Comitat
fast gar nicht. Die Mehlspeisen werden geknetet und theils gekocht, theils gebacken. Unter
den gebackenen sind die strudelartigen die häufigsten. Die aus den Körnern der Hülsenfrüchte
bereiteten Gemüse werden gewöhnlich mit Fleisch und einer braunen, knoblauchgewürzten
Einbrenn gekocht, was eine ebenso schmackhafte als nahrhafte Speise gibt. Im Winter
wird meist einmal des Tages gekocht, im Sommer Mittags und Abends.
Die politische Verwal tung liegt dem Comitate ob, das seinen Sitz in Veßprem
hat. Früher, als Administration und Jurisdiktion noch nicht getrennt waren, bestand das
Comitat aus 4 Oberstuhlrichter- und 13 Stuhlrichterbezirken, war also in 17 Bezirke
getheilt. Seit der Organisation der Gerichtsbarkeiten jedoch wird die Rechtspflege außer
dem Gerichtshofe durch 5 Bezirksgerichte, die Verwaltung aber durch 5 Stuhlrichterämter
ausgeübt. Statt der 17 Bezirke gibt es also nur noch zehn. Infolge der veränderten Ver-
hältnisse kostet freilich die jetzige Verwaltung und Rechtspflege dennoch mehr als zweimal
so viel wie im alten Comitat mit seiner Eintheilnng in 17 Bezirke. Der größte Theil der
Verwaltung fällt natürlich den Gemeinden und in diesen besonders den Notaren zu.
Die Gemeinden aber haben jetzt im ganzen Comitate die nämliche Organisation, die sich
wesentlich von der Gemeindeeinrichtung früherer Zeiten unterscheidet.
Die kirchliche Verwal tung ist natürlich nach den Bekenntnissen verschieden.
Die der Römisch-Katholischen steht unter dem Bischof von Veßprem, in der einen
Gemeinde Tees unter dem Bischof von Stuhlweißenburg und in einigen Gemeinden der
westlichen Bezirke nnter dem Bischöfe von Raab; die Abtei Zirez und der Erzabt von
Martinsberg, sowie der diesem untergeordnete Abt von Bakonybel führen die kirchliche
Verwaltung in ihren eigenen Patronatsgemeinden. Die Einwohner helvetischer Consession
Ungarn IV. 14
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (4), Band 16
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (4)
- Band
- 16
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.18 x 21.71 cm
- Seiten
- 616
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch