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fünf Millionen verringert, welcher Betrag jedoch nicht ganz als Barverlust anzusehen ist.
Den größten Theil des Weines hat der Zalaer Weinbauer mit seiner Faniilie selbst
getrunken. Er genoß ihn mit Maß, ohne Gelage, aber systematisch. Die Weinbauern
gleichen Ranges kamen täglich beim Keller zusammen, um beim Eigenbau zu plaudern,
ihre Meinungen auszutauschen. Gern boten sie auch den Dienstleuten, dem Arbeiter, dem
Armen, ja dem Wanderer einen Trnnk. Die Acker- und Weinbauern an der Tapoleza
nnd um Keszthely fielen auf durch Offenheit, Frohsinn, die Lust am Scherz, den kraftvollen,
strammen Wuchs, die vollen Wangen, deren Roth die Gesundheit der Leute bezeugte.
Ihre Freundlichkeit und Zuvorkommenheit, der jede Berechnung fern lag, ihre Offenheit
und Aufrichtigkeit, die aber alle Unbescheidenheit ausschloß, waren in keiner Gegend
Ungarns, ja wohl bei keiner einzigen landwirthschastlichen Arbeiterclasse der gebildeten
Nationen so hoch entwickelt als hier. Mit dem Verlust der Weingärten sank auch der
Wohlstand, Bier und Branntwein ersetzten den Wein, der heitere Zeitvertreib wich
rechnender Mühsal, und so scheint es, daß nach und nach Charakter und Denkweise dieser
Bevölkerung sich von Grund aus ändern werden.
Die ethnographischen Verhältnisse sind ziemlich einfach, insofern die verschieden-
sprachige Bevölkerung nicht vermischt, sondern in geschiedenen Sprachinseln neben
einander wohnt. Die Zahl der Bevölkerung beträgt rund 405.000. Davon sind
300.000 Magyaren, 100.000 Slaven und 5.000 bis 6.000, an der westlichen, steirischeu
Grenze, Deutsche. Die Slaven weisen zwei Schattirnngen ans. Zwischen Dran und Mur,
im sogenannten Muraköz, sitzt eine sozusagen rein kroatische Bevölkerung; nur iu den
Städten hört man auch ungarisch, in den Dörfern wird dieses blos von der kirchlichen und
weltlichen Obrigkeit gesprochen. Die Kroaten zählen rund 80.000 Köpfe. Nördlich der
Mur, um Belatincz und Turnisa, wohnen etwa 20.000 Wenden, die in den alten Urkunden
als Wenden, Winden und Vandalen erwähnt sind. Sowohl Kroaten, als auch Wenden
sind friedsames, einen rnhigen Wohlstand genießendes Volk, dessen sämmtliche Bedürfnisse
durch die ungewöhnliche Fruchtbarkeit des Bodens gedeckt werden. Alter Adel hat bei
ihnen nie gehaust und thut dies auch jetzt nicht, eine sogenannte Herrenclasse kennt ihre
Gemeinschaft nicht und es ist auch gar keine solche vorhanden. Das Muraköz gehört seit
uralter Zeit zum Zalaer Comitat. Nach der Bewegung von 1848 bis 1849 wurde es
dem Warasdiner Comitate angegliedert, kam also an Kroatien-Slavonien, allein schon
im Jahre 1861, als das Verfassungsleben seinen ersten neuzeitlichen Versuch machte,
wurde es sofort wieder dem Zalaer Comitate einverleibt.
Unter den Magyaren kommt hier eine eigenthümliche Variation der Race vor. Die
Gegend, wo diese heimisch ist, heißt seit unvordenklichen Zeiten Göcsej. Die Grenzen von
Göcsej sind: im Norden der Zalaslnß von Lövö bis Egerszeg, im Osten der Väliezka Kanal
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (4), Band 16
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (4)
- Band
- 16
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.18 x 21.71 cm
- Seiten
- 616
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch