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Die weibliche Tracht ist mehr der Mode unterworfen und recht hübsch. In früherer Zeit
war ein tischtnchartiges Laken charakteristisch, das an Feiertagen statt des großen Umschlag-
tuches getragen wurde. An Wochentagen trägt man sich weit einfacher. Frauen wie Mädchen
haben einen langen, einfach gemusterten, oben in Falten gezogenen und am oberen Rande
mit einem 12 bis 15 Centimeter breiten Koller (Saum) eingefaßten Rock, der am Werkel-
tag auch mit dem Inneren nach außen getragen wird. Der Kragen wird an sieben Stellen
halbkreisförmig eingeschnitten und durch Fischbeine steif erhalten. Das Wochentagshemde
aus weißer Leinwand oder farbigem Stoff ist an der Brnst spitzenartig ausgeschnitten und
ausgenäht; Sonntags wird ein Hemd aus Battistleiuwaud angelegt. Im Winter kommt
darüber ein kurzes, rückwärts mit einer Bandschleife verziertes Jäckchen ans schwarzem
Stoff oder Sammt. Das Kopftuch wird nicht unter dem Kinn, sondern hinten gebunden.
An den Füßen trägt man Stiefeln, aber noch häufiger feine, verzierte Schuhe. Die
wendischen Frauen schnitten sich früher, wenn sie heirateten, das Haar dicht am Kopfe ab,
den sie dann mit einem rothbnnten fezartigen Käppchen (poeilicu, noch früher poeiu)
bedeckten. Anch diese Tracht ist bereits selten geworden nnd außer Mode. Die jungen
Frauen können sich nach Belieben kämmen. Im Winter trngen Männer und Franen als
Schntz gegen die Kälte einen bis ans Knie reichenden anliegenden Pelz aus schwarzem
Lammfell (ko/i), der jedoch bereits dem billigere« Tuchrock gewichen ist. Männer, die vom
Militärdienste heimgekehrt sind, tragen gerne Mütze und Rock des Soldaten weiter.
Die Häuser sind meist rechtwinklig gebaut, so daß der eine Schenkel des rechten
Winkels sich mit den Fenstern der Stube nach der Straße öffnet. Der Stoff, aus dem
gebaut wird, ist Holz, Spritzmörtel oder Backstein. Namentlich aus Spritzmörtel wissen
sie sehr geschickt Wäude zu errichten, so daß sie zn diesen Arbeiten auch in die benachbarten
magyarischen Gegenden berufen werden. Der Straße wendet sich die Wohnstube zu, deren
Thüre sich «ach dem, oft von Säulen gestützte» Hausgang öffnet. Der ärmere Wende
haust in einem Zimmer, der bemitteltere hat zwei, selbst drei zur Verfügung. An die
Stube stößt die dunkle, rußige Küche, deren Rauch, da das Haus keine« Rauchfang besitzt,
oft nur durch die Thüre entweichen kann. Durch die Küche gelaugt man in die Kammer.
Am anderen Schenkel des rechten Winkels liegt nach rückwärts hin die offene pvjata.
In dieser steht die zum Brechen der Hirse, des Haidekorns und Maises gebrauchte stvpa.
Der Stall und schließlich die Scheune bilden den Abschluß des Gebäudes.
Die kleinen, dunklen Stuben sind recht überfüllt mit eiufachen, unbequemen Möbelu
und dem ungeheuren Ofen. Ein oder zwei fichtenhölzerne Betten, uubemalt oder geblümt,
thürmen sich mit ihrem Bettzeug bis zur Decke hinan; in die eine Ecke ist der Tisch gestellt,
etliche Stühle und Truhen bilden den übrigen Hausrath. Zwei Seiten des Tisches entlang
stehen an zwei Wänden die Bänke. Nach Bedarf kommen als weitere Mobilien die Wiege
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (4), Band 16
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (4)
- Band
- 16
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.18 x 21.71 cm
- Seiten
- 616
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch