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wendischen Volksdichtung wohllantend die religiöse Saite. Da sie so weilig weltliche Lieder
haben, anderseits aber auch sehr geneigt zu allein frommen Thnn sind, so singen sie ihre
Kirchenlieder uugemein gern. Franeu und Mädchen singen sie uiorgeus und abends ans
dem Felde, beim Hanf- uud Flachsbrechen nnd rings um die Öfen, die zum Hauftrockueu
am Ende des Dorfes errichtet sind, mitteu im Gepolter der Dampfmaschine singen beide
Geschlechter, ja selbst im Wirthshause erklingen diese Lieder. Wenn der ältere Wende ein
Stück Vieh vom Markte heimtreibt, schreitet er, den Hnt in der Hand, singend hinter ihm
her. Der lutherische Weude des Eisenburger Comitats (xoricanee), den die Armnth seines
Bodeus zwingt, sich im Sommer als Schnitter nach Somogy, Zala oder Slavouieu zu
verdinge«, singt in der Sonntagsruhe zu seiner Auferbauung die gewohnten Psalmen. Von
den sloveuischeu Bewohueru der uachbarlicheu Steiermark, mit denen er häufig iu Berührung
kommt, sind viele Lieder herübergelaugt. Viele Liederdichter finden sich besonders in der
Gegend zwischen Heiligenkreuz und St. Georgen. Vou diese» holen sich die ungarischen
Weude», als eifrige Wallfahrer, manches Lied, um es dann alsbald umzugestalten.
Wenige Nationalitüten Ungarns sind mit de» magyarische» Volksliedern so vertraut
wie diese Wende». Der Foriöanec, der als Schnitter in magyarischer Gegend arbeitet, nnd
der Zalaer Wende, dessen Weingarten an den eines Magyaren stößt, lernt dem Nachbar
seine Liedweisen bald ab, mit oder ohne Text, aber er macht sich auch eigene Verse zur
Melodie. Außer der Musik ist es der Tanz, für den sich der Wende förmlich begeistert.
Will er sich gut unterhalte«, so tanzt er, uud zwar mit Schick. Sein beliebtester Tanz ist
der steirische „Dreher", anch hat er sich die Polka eige«thümlich zurechtgelegt, so daß die
Tanzende» nach deu eiuzelueu Sätzen der Polka stehe» bleibe», trippelnd nach rechts uud
liuks kokettiren, nnd dann weiterpolkeu. Auch der Csardas ist beliebt. Während des Tanzes
lassen die Burschen ihre frohen Tanzrufe erschalle«, und die herkömmliche Coda der
wendischen Lieder: ,6ruMIiruMm ckiliMluIHa!" Will der Tänzer sich während des
Tanzes von seiner Tänzerin trennen, so sncht er ihr erst einen anderen Tänzer; sie einfach
hinzusetzen, hieße dem Mädchen eine Schmach authuu.
Der Wende ist außerordentlich steißig und betreibt daher eine ganze Menge von
Gewerben. Der Ackerbau freilich ist seine uralte uud verbreitetste Beschäftigung. Der
Wende ist eiu rechnender, geschickter, nnermüdlicher Ackerbauer. Sein Grund und Bodeu
ist beschränkt uud deuuoch schafft er sich die Dampfdreschmaschine und viele andere
landwirthschaftliche Maschinen an, da er sich von deren Vortheilhaftigkeit überzeugt hat.
Der Viehstand ist schön, die herrlichen Pferde sind sogar sehr gesncht. Ans die Wiese nnd
um He» geht mau selbst zwei oder drei Tagreiseu weit. Die Frauen sind gewiegte
Gärtnerinnen. Sie bauen Gartensämereien nnd Zwiebeln, die sie dauu sogar auf kroatische
uud steirische Märkte bringen. In der Umgebnng der Städte treiben sie Handel mit Milch.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (4), Band 16
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (4)
- Band
- 16
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.18 x 21.71 cm
- Seiten
- 616
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch