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wurden und die Wildbestände dnrch Jagdverbote geschützt waren, da sah er sein Reich in
immer engere Grenzen einschrumpfen und im Verhältniß mit seinem Niedergang stieg
das Ansehen der Schafhirten, die über seidenweiche Vließe zn wachen hatten. Diese sind
umgänglicher, schriftkundiger, wohlhabender, mehr an die Scholle gebunden. Sie lassen
als neue Beschlagnehmer in die Wälder hineinweiden, der Schafhalter und seine Knechte,
die „Bojtären", welche auch lange Hakenstäbe führen, deren Haken jedoch aus dem
Mutterholze selbst geschnitzt ist, nicht aus Eisen geschmiedet und mit Eisenbändern
angefügt, also blos ein ehrsames Sinnbild, kein Raufinstrument, wofür dergleichen im
Alföld dient. Dieses Völkchen also hat sich längst in das Reich des Kanäß eingebohrt.
Unter den ersten Eindringlingen sehen wir die Schäfer (Juhäß) von den sandigen Herr-
schaften der Grafen Szechenyi; wenigstens singt das Lied von diesen zuerst eine der
ältesten und beliebtesten Volksromanzen: „Hab' als Juhäß nach Taruöcza mich verdungen."
Doch die Somogyer Wälder, diese dicht verflochtene Unendlichkeit von Urwald-
bäumen verschiedener Art, so finster sie dem schüchternen Wanderer entgegentreten und
so mörderisch sie ihn anblicken, sind doch zugleich das glückliche Heim einer nach Millionen
zählenden Vogelwelt, der Friede von Tausenden furchtsamen Waldgethiers und die
geliebten Ausflugsorte der nahen Dörfer, deren kleine lustige Gesellschaften vom Frühling
bis spät iu den Herbst hinein durch tagelange Picknicks diesen Ernst in frohe Idylle
verwandeln. Unter diesen hochstämmigen Wäldern wuchert ein zweiter Wald, der der
Hagebutten und Haselnußstauden, nnd neben dem Haselwald ein dritter, noch demüthigerer
und gemüthlicherer, der Erdbeerwald, der die Jugend unwiderstehlich in seine lieben
Dickichte lockt. Früh im Lenz lassen die weißen Rippen der Birke süßen Trank entströmen,
der sogar von den Spitzen der Zweige träufelt. Gegeu den Herbst hin wiegt der Baumsarru
sein blüthenloses Haupt hin und her, die Pilze grüßen den Pürschenden mit hunderterlei
Hüten und roth schimmert die Kornelkirsche, dieses Muttermal im Antlitz des schönen
Eomitats. Wo ist hier eine Spur des menschenfresserischen Kanäß oder gar des entsetz-
lichen Sobri, der ja irgend einmal wirklich diese Wälder durchstreift hat und den viele
von uns noch von Angesicht zu Augesicht gesehen haben, auf jenen rothen Taschentüchern
nämlich, die von Kanizsa aus fuhrenweise ins Land gingen? Kein Kanäß, kein Sobri!
Um so mehr gilt es heute, sich vor den Waldhegern zu hüten, die es nicht mehr leiden,
daß man in ihren gräbennmzogenen, ja drahtnmsponnenen Wäldern so kreuz und quer
umherstapfe und sich seine eigenen Pfade trete und Schaukeln an die Bäume binde und
was sonst früher ohne weiteres zulässig war. Das Alles steht iu sorgsamer Hut und Cultur
und ist nicht mehr, wie vor kurzem noch, was das Sprichwort „Csaki's Stroh" nennt,
nämlich vogelfreies Gut. Die gesammten Waldungen von Somogy bilden augenfällig drei
Gruppen. Die eine ist harthölzerner Eichenwald, der, von einer zwischen Jhäros-Bereny
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (4), Band 16
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (4)
- Band
- 16
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.18 x 21.71 cm
- Seiten
- 616
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch