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in kluger und sorgsamer Obhut weiter oder dienen umhegt als Revier für die Tausende
mannigfachen Wildprets. Nirgends wimmelt es so von Hasen, wie in diesem Walde; die
Fasane fliegen bis in das offene Feld hinaus; den Hirsch sieht man rudelweise äsen und
Rehe gibt es so massenhaft, daß Kronprinz Rudolf einst in den Festetits'fchen Waldungen
bei Berzeneze in vier Tagen 53 Stück zur Strecke brachte. Eine Monographie des
Grafen Emerich Szechenyi jun. vom Jahre 1890 gibt die Stückzahl des erlegten Wildes
mit 200.000 an, wovon das nutzbare einen Werth von 134.000 Gulden darstellte.
Selbstverständlich fand die Vergangenheit des Hirtenvolkes besonders in den
Wäldern ihre Erklärung und Nahrung; forschen wir jedoch weiter, so führen uns die
Spuren bis in die sociale Ordnung und in den Raeencharakter. Da sind etwa vierhundert
kleine Gemeinden. Meierhöfe und Pußten und hinter jedem steht seine Burg, der Wald;
sieben Stuhlrichter und acht Herrenstühle hielten unter ihnen die „Ordnung" ansrecht.
Und dazu kam noch der Raeencharakter, mit seinem aus Urzeiten überkommenen Unab-
hängigkeitstrieb, der sich in den stürmischen Kriegszeiten mit Halsstarrigkeit und Pfiffigkeit
geharnischt hatte, der lieber in die Wälder ging und Waldläufer wurde, als daß er sich
der geringsten Zucht und Ordnung unterworfen hätte, und, wenn er sich angegriffen sah,
auch entschlossene Gegenwehr leistete.
Das Volk selber lebte in dem Bewußtsein, daß es nicht viel zu fürchten hatte, und
so brauchte es nur sein Interesse verletzt zu sehen, insbesondere bei Grenzstreitigkeiten,
um leichthin die Schranken zu durchbrechen. Das Blut Kupa's wallte gar leicht iu ihm
auf und reizte es mitunter zu blutigem Widerstand; der bemerkenswertheste Ansbrnch
dieser Art war der sogenannte „Velites"- oder „Jnsnrgenten-Anfstand" zu Anfang unseres
Jahrhunderts, als auch das Somogyer Comitat gegen die Franzosen eine sehr zahlreiche
Hilfstruppe von Freiwilligen, und zwar ein Bataillon zu Fuß nebst zwei Schwadronen
Reiterei, aufstellte und ausrüstete. Diese Heeresmacht marschirte auch an die Zalaer Grenze
ab, doch schon auf der zweiten Tagestation verweigerte das Fußvolk den Gehorsam, da sich
das Gerücht verbreitete, es solle an die Russen verkauft werden. So vertrieb es die bei-
gegebene schwache Militärabtheilung und ließ die vorausgezogeue, aus Adeligen bestehende
Reiterei ruhig mit dem Landvolk vereint das obere Somogy verheeren und plündern,
während es selber den Rückmarsch antrat uud die Schlösser, Kaufläden und Keller in und
um Nagy-Bajom, Särd und Csoknya ausleerte. Auch Morde mögen vorgefallen sein,
ein Gemetzel aber, ein Blutvergießen aus Rache faud nicht statt. Der Anfstand
äußerte sich in der Maßlosigkeit der Balgerei; die Herren der geplünderten Schlösser
mochten fliehen oder bleiben, dieses Volk dürstete nur nach Wein, nicht nach Blut.
Ähnliche wüste Scenen kamen auch sonst noch hie und da im Comitate vor, allein überall
ohne Blutvergießen. Die ganzen Unruhen dauerten höchstens fünf Tage. Da erließ das
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (4), Band 16
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (4)
- Band
- 16
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.18 x 21.71 cm
- Seiten
- 616
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch