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der öffentlichen Verwaltung, der Literatur, Wissenschaft, Politik und geistigen Vor-
nehmheit. Die erwähnten Dichter, die gelehrten Männer der Kirche, alle vorwärts
strebenden Geister sammelten sich da. In diesem Kreise erwuchs Paul Somssich, der
bewegende Geist aber und die ausführende Hand dieses Kreises waren Graf Franz
Szechenyi, Begründer des ungarischen Nationalmuseums, und Graf Georg Festetits,
Stifter des „Georgicons" zu Keßthely. Dieser Magnat verließ das Wiener Leben, um
Reichthum, Thatkraft, Menschenliebe daheim gemeinnützig zu verwenden; dort schuf er
sich für seinen Ideenaustausch eine Gesellschaft aus seinen Herrschaftsbeamten, den
Predigern seiner Hörigen und einigen adeligen Herren, die, wie die Cseppän und Särközy,
mehr Bildung besaßen. Bei einem Einkommen von einer halben Million kochte seine
Gattin Judith Saller Seife, zog Lichte, spann und webte eigenhändig, eine moderne
Peuelope. Und unterdessen berieth sich der Gutsherr mit seinen Beamten, unter denen
Johann Nagyvathy zu erwähnen ist, ein Gelehrter, Philosoph, Naturkundiger und Land-
wirth, ja sogar Dichter und mit ihm Samuel Birö, der herrschaftliche Anwalt. Die Frucht
dieser Berathungen war das Csnrgöer Gymnasium.
Csurgö, damals ein aus Strohhütteu bestehendes Städtchen, lag tief iu deu
Waldungen am südlichsten Fuße der niedrigen Zakänyer Berggruppe versteckt. Au seinem
Nordende befindet sich der ausgedehnte, mit steinerner Mauer umzogeue Maierhos des
Grafen und mitten im Orte die lange Reihe herrschaftlicher Beamtenhäuser mit dem
engen, niedern Palais, an dessen Stirne im ersten Stock der wachthaltende Kranich
der Festetits auf einem Fuße steht. Vor dem Thore des Maierhofes erhebt sich die
katholische Kirche mit ihrem alten Thurme, ein Überbleibsel des befestigten Johanniter-
Convents, der durch Euphrofyue, Witwe Göza's II. gegründet und durch ihre Tochter
Margarethe, Schwester Belas III. bereichert worden. Am Städtchen läuft ein Bach
vorbei, der einst, wie noch jetzt sichtbare Sperrdämme verrathen, ein Fischteich gewesen
sein mag. Am unteren Ende des Städtchens begann ein Urwald, und dort ließ der
Graf für das Gymnasium einen schönen Hügel abholzen; auch das Geld und
Baumaterial gab er her, Fuhr- und Handwerk aber leisteten die 60 Kirchen des Jnner-
Somogyer Sprengels, vom fernen Szigetvär bis herein nach Csurgö. Neben dem
Gymnasium erbaute er zwei Professorenhäuser, für die Besoldung der Lehrer legte er
Stiftungen au, zwölf Studenten gab er Nahrung und Kleidung, uud zwar ließ er sie
iu einer langen Hellgranen, reichverbrämten Mente und entsprechendem Kalpag umher
gehen, mit der Abkürzung seines Wahlspruches .v lk t l l " (veum time, Iwnora)
auf der Brust. Aber er wollte im städtelosen Somogy auch eine magyarische Stadt
erschaffen. Er ließ also den Wald bis an den Fuß des Alsok, eine halbe Meile weit
ausroden und bevölkerte die Roduug. Für die Jahrmärkte legte er in der Mitte zwei
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (4), Band 16
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (4)
- Band
- 16
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.18 x 21.71 cm
- Seiten
- 616
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch