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Selbst die einst blühende Industrie der Stuhlweißeuburger Rohlederverfertiger („Tobaks")
ist zusammengeschrumpft; nur die Csäkvärer Thouwaareuindustrie, deren allerdings
primitive Waare sich durch vortreffliche Qualität empfiehlt, behauptet ihren ständigen
Markt in einem großen Theile des Landes, und eine berühmte große Blaudruckfabrik in
Stuhlweißenburg vermag mit ihren Erzeugnissen sogar im Auslande durchzudriugen.
Auch die landwirthschaftliche Industrie ist blos durch zwei Bierbrauereien und einige
Spiritusbrennereien vertreten, welche jedoch, im Vergleich mit früher, eher einen Rückgang
als einen Fortschritt erkennen lassen.
Ebensowenig ist, im Verhältniß zu seiner einst bestandenen Entwicklung, ein
Aufschwung des Handels zu bemerken. Früher hatte der Handel des Comitats drei
bedeutende Wegrichtungen: da war der Handel von Budapest südwärts, der sich haupt-
sächlich der Donau bediente, und dazu kamen die Handels- und Frachtverkehrsstraßen nach
Graz und Wien. Jetzt ist all' dies durch die Eisenbahnen ersetzt, welche Stuhlweißenburg
zwar berühren, da sie aber keiner Vermittlungspunkte bedürfen, beinahe spurlos das Stadt-
uud Eomitatsgebiet durchschneiden. Bei alledem besitzen Stnhlweißenbnrg nud das
Comitat eine handeltreibende Klasse, die sich durch Intelligenz, Vertrauenswürdigkeit und
Wohlhabenheit auf der Höhe der Zeit behauptet; sie ist in vollem Maße geeignet und
ausreichend, einerseits das locale Bedürfniß zu befriedigen, andererseits aber die zur
Verwerthung gelaugenden Erzeugnisse des Comitats mit Ausschluß anderweitiger Ver-
mittler direct den Eonsumtiousplätzen zuzuführen. Diesem Umstände und der günstigen
Lage des Comitats ist es zuzuschreiben, daß die Preise der Prodncte in einem großen
Theile des Comitats die hauptstädtischen Preise nicht nur erreichen, sondern zum Theil
sogar übersteigen.
Sehr vorgeschritten im Verhältniß zu anderen Landestheilen und noch immer in
weiterer Entwicklung begriffen ist ferner die Organisation der Geldinstitute und des
Creditwesens. Die Stnhlweißenbnrger Sparkasse ist eines der ältesten Geldinstitute
Ungarns; sie wurde schon im Jahre 1845 gegründet, unmittelbar nachdem zu Anfang der
Vierziger-Jahre die Bewegung zur Gründung von Sparcassen begonnen hatte. Seitdem
sind sowohl in der Hauptstadt als auch in anderen Ortschaften des Comitats mehrere,
einen ansehnlichen Verkehr vermittelnde Sparcassen, Banken, Volksbanken, besonders
aber jede gewinnsüchtige Tendenz ausschließende Selbsthilfsvereine entstanden, lauter
wirksame Factoreu zur Ansammlung von Capital, Hilfsmittel des Wohlstandes und der
Vermögenbildung, welche den Wucher beschränken und ein vernünftiges Ausmaß des
Creditbedürfnisses, bis in die unteren Volksschichten hinab, zu befriedigen vermögen.
Ihnen ist es zum großen Theile zu danken, daß die Bevölkerung des Weißenburger
Comitats, die sich fast ausschließlich mit Landwirthschaft befaßt, sich selbst unter schwierigen
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (4), Band 16
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (4)
- Band
- 16
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.18 x 21.71 cm
- Seiten
- 616
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch