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sie senden erfrischende Luftströme in die, Stadt, was die Schwankungen ihres Klimas
angenehm ausgleicht uud den Aufenthalt daselbst ebenso behaglich als gesund macht.
Der Sarvizkanal durchzieht, mit dem Gaja-Flüßchen vereinigt, die Stadt und umfängt
mit einem schmäleren Arme die ganze innere Stadt, während eine andere Abzweigung
die Palota-Stadt durchschneidet; beide entwässern die tiefer gelegenen Stadttheile und
führen zugleich die Schmutzwässer ab. An den belebteren Stellen im Stadtinneren sind
diese Kanäle eingewölbt.
Stuhlweißenburg gehört zu den elegantesten Provinzstädten Ungarns. Seine Vor-
städte widerspiegeln zwar die einfache Lebensweise einer ackerbautreibenden Bevölkerung,
doch sind auch in ihnen neuerdings schöne Straßen und Plätze entstanden; die innere
Stadt steht durchaus auf der Höhe der Gegenwart. Die Straßen sind sämmtlich gepflastert
nnd mit Würfel- oder Asphalt-Trottoirs und Alleen versehen; ununterbrochene Häuser-
zeilen, Gasbeleuchtung, Reihen von Läden mit reichhaltigen Schaufenstern verleihen der
inneren Stadt in jeder Hinsicht einen städtischen Charakter.
Zn bedauern ist nur, daß die Stadt beinahe völlig der Denkmale ihrer alten
Herrlichkeit entbehrt. Fünfeinhalb Jahrhunderte hindurch haben sich in ihren Manern
zahlreiche wichtige Begebenheiten der Geschichte Ungarns abgespielt. So lange Zeit hin-
durch war diese Stadt die Zeugin von Lust und Leid einer Nation, aber von all dieser
Jahrhunderte hindurch angewachsenen Größe ist kaum ein Stein übrig, um die Nachwelt
daran zu erinnern.
Das heutige Stuhlweißenburg ist eine ganz neue Stadt, die seit dem Zusammenbruch
der Türkenherrschaft auf der alten Stätte erwachsen, im Laufe der Zeit selbst die Trümmer
ihrer Vorgängerin nachgerade aufgezehrt hat. Aus geschichtlichen Aufzeichnungen weiß man
zwar, was Alles in der Stadt vorhanden war, wie sie unter den Ärpaden und den Königen
aus gemischten Häusern ausgesehen, doch ist von den damaligen großen Bauwerken nicht
nur nichts erhalten geblieben, sondern von manchen weiß man nicht einmal bestimmt, wo
sie gestanden. So bleibt den jetzigen Bewohnern der Stadt nichts übrig, als in Ermangelung
sicherer Anhaltspunkte nach den meisten Richtungen hin eine allgemeine Pietät im Herzen
zu hegen für das Gedächtniß jener großen Zeiten, deren Geschichte sich an ihre Vater-
stadt knüpft.
Über die Entstehung und Benennung Stnhlweißenburgs gehen die Ansichten
weit auseinander. Wahrscheinlich ist es, wie ja alle bedeutenderen Punkte des Landes
jenseits der Donau, schon in römischer Zeit Kolonie gewesen; einige sind der Meinung,
es habe an der Stätte des heutigen Stuhlmeißenburg die Römerstadt Herculia gestanden.
Vielleicht hat noch Ärpäd seinen Grundstein gelegt, als er den nordwestlichen Theil
des Comitats dem Elöd, von dem das Geschlecht der Csak abgeleitet wird, überließ,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (4), Band 16
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (4)
- Band
- 16
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.18 x 21.71 cm
- Seiten
- 616
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch