Seite - 148 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Mähren und Schlesien, Band 17
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Neben dieser „großen" feiern viele Pfarrgemeinden anch noch eine „kleine" Kirch-
weih zu Ehren des Schutzpatrons der Ortskirche. Dabei geht es ganz ähnlich zu wie am
Kaiserkirchtag, nur in bescheideneren Grenzen. Anläßlich dieser Dorffeste entwickeln die
Bauern eine großartige Gastfreundschaft. In jedem Hause wird ein Stolz darein gesetzt,
recht vielerlei Braten und „Kolatschen" herzurichten, nm recht viele Gäste empfangen und
bewirthen zu können.
Der Herbst schreitet unaufhaltsam fort, und bald kommt auch der heilige Martin
„auf dem Schimmel" angeritten. Die Martinigans ist ein beliebter Braten an seinem Feste.
Aus dem Brustbein der Gans prophezeit der Bauer die Beschaffenheit des bevorstehenden
Winters. Anch die „Martinihörndl", halbmondförmige Kuchen mit Nuß- oder Mohn-
füllnng, sind ein willkommenes Essen an diesem Tage.
Die langen Abende verbringen die Leute, besonders in den nördlichen Gegenden,
wo der Flachsbau florirt, in den Spinnstuben, die Weiber an dem Spinnrad, die
Männer in ihrer Gesellschaft. Und wenn das Rädchen so fröhlich fchnnrrt, da plaudert
sichs gar gut. Da erzählt die Großmutter von längst entschwundener Jugendzeit, die
Alten preisen alle die „gute, alte Zeit", die Jugend aber blickt sehnsüchtigen Auges der
Zukunft entgegen.
In deu Abendstunden wird viel Licht verbraucht. Die Weber von Stadt-Lieban
feiern den Beginn dieser Zeit, da die Lampe in ihre Rechte tritt, durch das Fest der
„Lichtschnur". Die Lichtschuur ist eine Schnur, die quer über den Webestnhl gezogen ist
und ans der die Arbeitslampe hängt. Den Sonntag zuvor, ehe sie zum ersten Male wieder
bei Licht arbeiten, wird in einem Gasthause Tanzmusik abgehalten. Durch die ganze Breite
des Saales wird eine Schnur gespannt — die Lichtschnur — aber sie ist mit Leckerbissen
behängt, mit Äpfeln, Birnen, Lebzelt n. f. w. Es ist ein schöner Trost, den sich die armen
Leute spenden: aus der Arbeit quillt der Segen.
Ein dnrch Sage und Brauch ausgezeichneter Tag ist der St. Andreastag
(30. November). Am Abend dieses Tages läßt man den Rocken gerne ein Stündchen
stillestehen und denkt sinnend der zukünftigen Zeiten. An diesem Abend kann man nämlich
durch „Bleigießeu" oder noch besser durch das „Glückversuchen" die Znknnft erfragen.
Das letztere wird in nachfolgender Weise geübt: drei ganz gleiche irdene Töpfe werden in
die Stube gebracht. Unter den einen wird ein Stück Erde, unter den zweiten ein Stück Brot,
unter deu dritten eine Münze gelegt. Jeder in der Versammlung darf dreimal rathen.
Wer dreimal das Geld gefunden, wird das Jahr hindurch reiche Einkünfte haben, wenn
ihm nicht gar ein Treffer oder eine fette Erbschaft bevorsteht. Wer dreimal ans das Brot
getroffen, dem wirds an gnter Atzung nicht fehlen, doch wessen Hand dreimal die Erde
berührt hat, dem wird sich die Erde wohl bald zur letzten Ruhestatt öffnen. Die Nacht vom
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Mähren und Schlesien, Band 17"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Mähren und Schlesien, Band 17
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Mähren und Schlesien
- Band
- 17
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1897
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.42 x 21.88 cm
- Seiten
- 750
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch