Seite - 154 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Mähren und Schlesien, Band 17
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Den Marienkäfer grüßt das Kind mit den Worten: „Mnttergotteskäferl, flieg nf
die Wäd, — Bring' unsern Herrgott a güldenes Kläd!" (Brünn), oder „Snmmcrkäserle,.
flieg en Schnitt, — Brenz m'r e goldenes Messerla mit!" (Brodek). Die Schnecke wird
folgendermaßen angesprochen: „Schnecken, Parecken, — Steck deine vier Hörner heraus,
— Sonst schlag' i z'samm dein Hof und Haus!" (Znaim.)
Den Goldafter (I^vparis clirvsorrkoea) apoftrophiren die Mädchen um Znaim mit
den Worten:
„Miller, Miller, Maler,
Buben kosten an Thaler, Mäd'ln kosten hundert Gnl'n,
Buben soll der Teuxel huln!"
Weit verbreitet in Nord und Süden ist die Kinderpredigt:
„Ein Zipfel und eine Wurst,
Der Bauer liegt in großem Durst,
In großem Durst liegt der Bauer,
Das Leben wird ihm sauer,
Sauer wird ihm sein Leben,
Der Weinstock, der trägt Reben,
Reben trägt der Weinstock,
Ein Kalb ist kein Ziegenbock,
Ein Ziegenbock ist kein Kalb —
Jetzt ist die Predigt halb. Halb ist die Predig',
Mein Bauch ist noch ledig,
Ledig ist mein Bauch,
Mein Mützel ist rauch,
Rauch ist mein Mützel,
Mein Bruder heißt Fritzel,
Fritzel heißt mein Bruder,
Die Maus ist ein Luder,
Ein Luder ist die Maus —
Jetzt ist die Predigt aus!"
Neben solchen Äußerungen eines kindlichen Gemüthes, das sich nur an dem
Gleichklange der Worte erfreut, ohne in die Tiefe zu dringen, hatten die Deutschen
Mährens echte und ursprüngliche Volkslieder, von denen die meisten, wie leicht erklärlich,
erotischen Inhalts sind. Leider sind sie nicht überall rechtzeitig gesammelt worden und
daher viele verloren gegangen. Die harte Gegenwart, welche den Landmann zwingt, den
Kampf um das Dasein zu kämpfen, läßt ihm nicht die Ruhe, nach seinem Innern zu
sehen, und so schwinden — wie Sitten und Gebräuche — auch die Lieder, die Großvater
und Großmutter noch gekannt und gesungen, aus der Kenntniß des Volkes. Nur die
Lieber der Kuhländler haben vor Jahren (1817 durch Prof. Meinert in dem Buche:
„Der Fylgie") einen Sammler gefunden; viele andere Lieder dieses Volkszweiges sind
handschriftlich erhalten. Es sind theils religiöse, theils auf Sage und Geschichte basirte,
theils rein lyrische Dichtungen, die freilich in mancherlei Variationen gesungen werden.
Aus den meisten redet der einfach schlichte Geist des Volkes: Heiterkeit und frohe Laune,
wohl auch berechtigter Spott; daß in den erzählenden Gedichten auch der Aberglaube
eine nicht unbedeutende Rolle spielt, ist nur natürlich. Allein ein strenges Gerechtigkeits-
gefühl athmet durch die Lieder, Treue und freiwillige Entsagung finden ihren Lohn,
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Mähren und Schlesien, Band 17
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Mähren und Schlesien
- Band
- 17
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1897
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.42 x 21.88 cm
- Seiten
- 750
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch