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auch kleinere oder größere Unterschiede in der Tracht gesellen, theilen sich wieder die
oben angeführten Volksstämme in kleinere Gruppen, die auch ihre besonderen Namen
führen. I» der Patriinonialzeit vor dem Jahre 1848 hatte die Bevölkerung fast einer
jeden Herrschaft ihre Eigenthümlichkeiten aufzuweisen.
Auf dem Bodeu dieser Stammesverschiedenheit entfaltete sich in Mähren ein sehr
reiches und mannigfaltiges Volksleben. Jeder dieser Volksstämme hatte nicht nur seine
besondere Tracht und seine eigenthümliche Mundart, sondern auch seine nur ihm eigenen
Lieder und Tänze, Sitten und Gebräuche. Ein rechter Hannake wäre gar nicht im Stande,
ein slovakisches Lied zu singen oder einen flovakifchen Tanz aufzuführen; beides ist ihm
viel zu schwer und unbequem, während wiederum der Slovake an den hannakischen Weisen
und Tänzen kein Gefallen findet.
Kirchenjahr. Viele Überreste der ursprünglichen Naturreligion und sonst alther-
gebrachter Sitte haben sich in den Gebräuchen des Kirchenjahres und in den Volksspielen
erhalten.
Am Sankt -Barbara tage , den 4. December, hält der Winter seinen Einzug ins
Dorf. Er erscheint in der Gestalt und nnter dem Namen des alten „Mütterchen"
(matieka) uud wird durch eine weibliche Person vorgestellt. ^ Diese geht, in ein weißes
Leintuch gehüllt nnd mit der Sichel oder mit dem Spatel in der Hand von Haus zu
Haus, gibt den Kindern das Kreuz zu küssen und läßt sie die Gebete hersagen.
Mit besonderem Glanz und unter zahlreichem Geleite stellt sich der heilige Nikolo
am 6. December ein. Der Heilige selbst ist als Bischof gekleidet, mit einem langen Bart
von Flachs, auf dem Kopfe eine Mitra von buntfarbigem, vergoldeten« Papier, in der
Hand den Krummstab. Ihm zur Seite geht ein weißgekleideter Engel. Dieser trägt im
Korbe Lebzelt, Äpfel, Nüsse und Dörrobst für die braven Kinder und eine Ruthe zur
etwaigen Bestrafung der unfolgsamen und läutet mit der Glocke. Außerdem begleiten den
Heiligen ein weißgekleideter Tod mit der Sense in der Hand, etliche Teufel mit Ketten
und Hämmern und ein Laufer, der dem ganzen Zuge voraneilend nnter den Fenstern
durch Peitschenknall die Ankunft des Nikolo ankündigt. Heilige Scheu erfaßt die Kinder
beim Erscheinen des Bischofs uud seines Geleites. Auf sein Geheiß fallen sie auf die
Knie und sagen andächtig ihre Gebete her.
Am 13. December, dem Tage der heiligen Lucia, hält ihren Umzug im Dorfe eine
als Lucia (^.uca) weißgekleidete weibliche Person. Sie trägt eine Maske mit großen
Zähnen und im Korbe Hechelscheven und eine Spindel. In jedem Hause untersucht sie das
Gespinnst, belobt die geschickten Spinnerinnen uud klopft die ungeschickten über die Finger.
Auch uuter dieser Gestalt birgt sich die altheidnische Winter- und Todesgöttin Moraua.
' Der Winter (?imu) ist im Böhmischen weiblichen Geschlechtes.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Mähren und Schlesien, Band 17
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Mähren und Schlesien
- Band
- 17
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1897
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.42 x 21.88 cm
- Seiten
- 750
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch