Seite - 209 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Mähren und Schlesien, Band 17
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Tage des Begräbnisses über die Hausschwelle geschafft ist; deswegen nehme der Verstorbene
Alles wahr, was um ihn herum geschieht und gesprochen wird. Solange der Leichnam im
Hanse ist, wird weder gekocht, «och gekehrt, uoch soust eine Haus- oder Feldarbeit
verrichtet, um die Ruhe des Todten nicht zu stören. Wenn am Tage des Begräbnisses
der Leichnam aus dem Hause geschafft wird, werdeu alle Tische, Bänke und Stühle
umgestürzt. Beim Hinaustrage» des Sarges wird mit diesem au jede Schwelle, die man
überschreitet, dreimal aiigestoßeu mit den Worten: „Der Hauswirth scheidet vou euch."
In der Walachei nimmt der Dorscantor im Namen des Verstorbenen Abschied von jedem
Gegenstände, der sich im Hause, im Hofe uud im Hansgarten befindet. Den ledigen
Burscheu tragen zu Grabe Krauzeljuugferu, das ledige Mädchen Brautführer. Bei den
Slovaken erscheinen sie im festlichen Hochzeitsstaate. Aus deu eiugepfarrteu Ortschaften
wird der Leichnam znr Pfarrkirche zn Wagen geführt. Am Ende des Dorfes macht der
Leichenzug beim Kreuze Halt und der Dorscantor leistet im Namen des Verstorbenen
Abbitte. Jhreu Abschluß findet die gauze Todteuseier in dem Todtenmahl.
Trauerfarbe war in älterer Zeit die weiße. Noch jetzt erscheinen in den slavischen
Ortschaften bei Neutitscheiu die Frauenzimmer aus der Verwandtschaft bei der Leiche in
weiße Leintücher gehüllt, während die übrigen Weiber schwarze Kopftücher tragen.
Bei den längs der ungarischen Landesgrenze ansässigen Slovaken hat sich bis auf
deu heutigen Tag das früher anch sonst im Lande übliche „Wehklagen" (nai'jküni) erhalten.
Dasselbe wird blos von Franenzimmeru und Kindern ausgeübt, und zwar am Sterbebett,
sobald der Tod eingetreten ist, dann am Tage des Begräbnisses, wenn der Leichnam aus
dem Hause getragen wird, und zum dritteumale am offenen Grabe. Auch am Allerheiligen-
und am Allerseeleu-Tage besuchen Weiber und Kinder die Gräber ihrer Lieben und
suchen sie nach jedem Begräbnisse, an dem sie sich betheiligen, ans, nm daselbst zu wehklagen.
Dieses Wehklagen gehört so sehr zu dem landesüblichen Ceremoniel, daß die Mnttcr selbst
ihre Kinder unterweiset, wie sie einst um sie wehklagen sollen. Indeß sind diese Klagelieder
außer deu formelhaften Eingänge» und einigen wiederkehrenden Wendungen meistentheils
tiefempfundene Improvisationen. Die Melodie ist bei aller Monotonie doch ergreifend.
Wenn sich eine Witwe nicht zutraut, „schöu" zu wehklagen, ersucht sie irgend eine
Verwandte, die im Rufe eines gewandten Klageweibes steht, dies für sie zu thun.
Außer diesen gelegentlichen Improvisationen haben auch tiefergreifende, formvoll-
endete Nänien ihren Ursprung am Grabe der verstorbenen Lieben genommen. Die ver-
lassene bedrückte Waise klagte ihre Leiden am Grabe der Eltern, der zum Militär abgestellte
Bnrsche weinte daselbst bittere Thränen über seiu hartes Los, die verwaiste Braut besuchte
vor ihrem Hochzeitstage das Grab ihrer Eltern, nm ihnen von ihrer bevorstehenden
Vermälung Nachricht zu gebe« uud ihre» tiefe» Schmerz auszusprechen, den sie darüber
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Mähren und Schlesien, Band 17
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Mähren und Schlesien
- Band
- 17
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1897
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.42 x 21.88 cm
- Seiten
- 750
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch