Seite - 213 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Mähren und Schlesien, Band 17
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sowohl den glücklichen Nebenbuhler als auch das Mädchen, gleichviel ob schuldig oder
unschuldig, und den Eifersüchtigen selbst ergreift. Diese unbezähmbare Leidenschaft mit
ihren Folgen, förmliche Kämpfe um die Geliebte haben zum Gegenstand besonders die
Lieder der cholerisch veranlagten Slovaken. In vollen, jauchzenden Tonen aber erschallt
das Liebeslied zur Zeit des bevorstehenden Bündnisses und bei der Hochzeitsfeier.
Eigenartig sind die Soldatenlieder. Von echtem Soldatengeiste ist in den älteren
Liedern dieser Art freilich wenig anzutreffen, trotzdem gerade die mährischen Regimenter
seit jeher Beweise uuerschrockeuer Tapferkeit und wahren Heldenmnthes geliefert haben.
Unsere Soldatenlieder sind die traurigsten vou allen, was fürwahr nicht Wnnder nehmen
kann, wenn wir die harte und ungerechte Art der alten Assentirnng bedenken, durch die
der junge Mensch mit Gewalt aus dem Schoße der Familie, aus dem trauten Heimats-
dorfe, ans der freien Gottesnatnr gerissen ward, um daun seine schönsten Lebensjahre
in weiter Ferne zuzubringen. Umsonst flehte der arme Bursche seine Eltern um Hilfe und
Fürsprache an; ihre Bitten und ihre Thränen fanden keine Beachtung. So bleibt dem Armen
nichts übrig, als im rührenden, tiefergreifenden Liede Abschied zu nehmen von seinen
Eltern, seiner Geliebten, seinen Kameraden und dem heimatlichen Dorfe. Nach und nach
findet sich jedoch anch nnser Soldat in seinem nenen Stande zurecht, sein Lied ergeht sich
jetzt in Lobeserhebungen des „freien und lustigen Soldatenlebens", obwohl da mitunter
auch eiu rechter Galgenhumor herausklingt.
Gesungen wnrde bei jeder Arbeit, und so hat denn auch jede Haus- uud Feldarbeit
ihre eigenthümlichen Lieder. Am zahlreichsten und originellsten sind in dieser Beziehung die
Weidelieder. Die in den gebirgigen Gegenden des östlichen Mährens aus einsamen und
entlegenen Weideplätzen die kleine Knhherde hütenden Mädchen haben die ihnen eigen-
thümliche Weidepoesie zu einer recht hübschen Entfaltung gebracht. Alles, was die kleine
Knhhirtin den ihrer Obhut anvertrauten Kühen zn sagen hat, spricht sie in kleinen Liedchen
aus. Außerdem sind die Hirtinnen miteinander in fortwährender Gefangscorrefpondenz, die
von einem Berge zum anderen geführt wird. Durch ein langgedehntes, so lant als möglich
ausgestoßenes ladet das weidende Mädchen ihre nächste Nachbarin, ohne sie zu
sehen, zum Wechselgesang ein. Diese erklärt sich dazu bereit und sie geben dann einander in
poetischer Rede und Gegenrede kund, wie ihre Kühe weiden, was sie selbst zu essen haben,
wo sie nach beendeter Weide auf einander warten wollen, um gemeinschaftlich nach Hanse
zu treiben u. f. w. Manche von diesen Wechselliedern sind von ziemlichem Umfang, und es
wechseln darin regelmäßig Recitativ nnd Arie ab. Ihr Inhalt ist dann mannigfaltiger
und hat oft die Herzensgeheimnisse der heranwachsenden Hirtinnen zum Gegenstand.
Seine mächtigste Stütze hatte der Volksgesang in der originellen Tanzmusik.
Die ganze Musikkapelle bildeten in älterer Zeit zwei Geiger und ein Dudelsackpfeifer;
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Mähren und Schlesien, Band 17
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Mähren und Schlesien
- Band
- 17
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1897
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.42 x 21.88 cm
- Seiten
- 750
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch