Seite - 222 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Mähren und Schlesien, Band 17
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des XIX. Jahrhunderts, besonders aber der große Unischwung, der mit dem folgen-
schwere» Jahre 1848 in das Leben unseres Landniannes gebracht wurde, ihre Wirluug
nicht nur auf sei« Inneres, sondern auch ans sein Äußeres, auf die theilweise, in manchen
Gegenden sogar durchgreifende Ablegung der Jahrhunderte alten Nationaltracht geäußert!
Trotzdem gelingt es dem fleißigen Sammler auch jetzt und anch dort, wo die Tracht
in Mähren bereits abgelegt zn sein scheint, wie z. B. an vielen Stellen des westlichen
Mährens, immerhin noch ältere Leute aufzufinden, welche entweder noch selbst die ehemals
verbreitete Tracht anhaben oder dieselbe wenigstens noch in Truhen oder im Dach-
stübchen als Eriuuerung an ihre fröhliche Jugendzeit anfbewahren.
Am meisten und vollkommenste» hat sich die Nationaltracht im südöstlichen Theile
des Landes, i» der mährischen Slovakei erhalten. Trotz der vorzüglichen Nerbindnng
dieses Theiles von Mähren mit alle» andere» Gegenden, trotz der verhältnismäßigen
Wohlhabenheit der Bevölkerung mit Ansnahme der Gebirgsgegenden natürlich
überrascht uns iu dem unteren Marchthal eine solche Fülle der verschiedensten, im
Sonntagsstaat farbenprangenden, znnieist durch reiche nud wunderbar kunstvolle Stickerei
gezierten Kleidnngsarten, wie wir dies kanm noch sonstwo in Österreich diesseits der
Leitha vorfinden!
Hier im Marchlande kann uns klar werde», wie sich i» so maucher Tracht »icht
nur ein Theil des nationalen Gedankenkreises geltend macht, sonder» auch die historische
Vergangenheit der Bevölkerung abspiegelt. Wenn man z. B. in Javornik (bei Straznitz)
in das Bethaus der dortigen evangelischen resormirten Kirche und zwar an einem Feiertage
kommt, wird mau sich sofort iu das Mittelalter versetzt fühleu — so eigenthümlich ist
die dortige Tracht. Manche Stücke der Alt-Hrozenkaner Tracht reichen ihrem Ursprung
nach ganz gewiß in die prähistorische Zeit zurück; Spureu der Gothik, natürlich mit dem
Stempel uatioualer Bearbeitung, entdeckt mau in manchen Stickereien von Nivnitz,
Kunovitz n. s. w.; die Renaissanceperiode hat ihren Stempel den Stickereien und den
Franenkragen um Luudeuburg und Gaya (Milotitz) aufgedrückt und spiegelt sich anch in
der prunkvollen Kleidung der Hannaken und Hannakinnen ebenso dentlich ab, wie das
XVIII. Jahrhundert in der westmährischen Kleidungsart. Sogar schwache Einwirknngen
des türkischen und überhaupt orientalischen Knnstgeschmacks lassen sich hier nnd da
constatiren, wenn auch nicht so leicht wie bei den ungarischen Slovaken iu ihren sonst
slavisch coiupouirteu Durchbrucharbeiten, Mnstcrfülluugeu und den vornehmen Gold-
stickereien des Nentraer Comitats.
Trotz alledem aber ist in den mährischen Trachten nnd ihrer Ansschmücknng so viel
eigenthümlich Slavisches, ja speciell Mährisches, daß wir unbedingt annehmen müssen,
dies Alles sei das Resultat eines mehr als ein Jahrtausend existirenden natürlichen
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Mähren und Schlesien, Band 17"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Mähren und Schlesien, Band 17
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Mähren und Schlesien
- Band
- 17
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1897
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.42 x 21.88 cm
- Seiten
- 750
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch