Seite - 238 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Mähren und Schlesien, Band 17
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Es unterliegt keinem Zweifel, daß diese Art der Dorfanlage jener granen Vorzeit
entstammt, wo das mährische Volk noch in der altslavischen Familienverfassung der Hans-
communion lebte. Sobald eine solche Familie (im weiteren Sinne des Wortes) einen Platz
zur Ansiedelung gewählt hatte, wurde der Plan des anzulegenden Dorfes beschlossen; denn
bei der einheitlichen geschlossenen Anlage der Runddörfer kauu der Dorfplatz ebeu nicht
anders als mit einem Male, auf Grundlage eines einheitlichen, vorher beschlossenen Planes
ausgebaut worden sein. Hiermit stimmen auch andere historische Zeugnisse für die Alter-
thümlichkeit der Runddörfer überein, insbesondere die Namen derselben, die nachgewiesener-
maßen zu den ältesten im Lande gehören, vor Allem die zahlreichen patronymischen
Ortsnamen (auf iee, vviee, wie Tesetice, Drahauovice, das heißt: der Stamm, die Nach-
kommen des Te»eta, Drahau), deren Entstehungszeit mit der Blüte der altslavischen
Familienverfassung zusammenfällt. Thatsächlich gehören auch die meisten in den ältesten
Urkunden erwähnten Ortsnamen Mährens Runddörfern an.
Auf einer erhöhten Stelle inmitten des Dorfplatzes steht die ehemals stets vom
Kirchhofe umgebene Kirche oder wenigstens eine Kapelle. Sonst aber ist der hannakifche
Dorfplatz ziemlich leer: ältere, größere Bäume gehören daselbst zu den Seltenheiten, erst
in »euerer Zeit werden Obstbäume vor den Häuserfronten gepflanzt. Die vor Zeiten
unerläßlichen, unschönen Pfützen sind gegenwärtig von den hannakifchen Dorfplätzen
zumeist schon verschwunden.
Eine ganz verschiedene Ortsanlage weisen jene Dörfer der Hanna auf, welche
erwiesenermaßen eine Gründung der ersten Jahrhunderte unseres Jahrtausends sind.
Diese bilden nicht mehr einen geschlossenen, breiten Dorfplatz, sondern eine gerade Gasse,
ebenso wie die in späteren Zeiten zu dem ursprünglichen Kern der Ruuddörfer — dem
geschlossenen Dorfplatze — zugewachsenen Dorftheile. Bei den neuesten Ortsgründungen
schließlich, namentlich des josephinischen Zeitalters (in den Achtziger-Jahren des verflossenen
Jahrhunderts wurden in Mähren weit über einhundert Dörfer angelegt) ist die Form
einer einzigen Häuserzeile iu Aufnahme gekommen.
Abgesehen von der bis in die Gegenwart erhaltenen alten Ortsanlage zeigt sich aber
die althannakische Bauweise nur noch in einzelnen ziemlich seltenen Hausveteranen, bei
denen übrigens die alterthümlichen Theile mit neumodischen Renovirnngen bunt durch-
einandergeworfen sind.
Groß und schwerfällig, aber behäbig uud solid gebaut war ehemals das hannakische
Bauernhaus, ein Ebenbild des Hannaken selbst, seiner breiten, knochigen Gestalt, seines
etwas plumpen Auftretens, seines phlegmatischen Naturells, sowie seines breiten Dialects.
Als Banmaterial für den eigentlichen Wohntract — die Stube — diente Holz, welches
jedoch mit Mörtel verputzt und weiß übertüncht wurde, so daß das hölzerne Haus der
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Mähren und Schlesien, Band 17"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Mähren und Schlesien, Band 17
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Mähren und Schlesien
- Band
- 17
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1897
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.42 x 21.88 cm
- Seiten
- 750
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch