Seite - 297 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Mähren und Schlesien, Band 17
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in Bann gethan, die lateinische Sprache kam in Kirche und Amt zur Herrschaft. In den
zahlreichen Klöstern des XI. und XII. Jahrhunderts (Raigern im Jahre 1045 von
Bretislav „Achilles" für die Beuedictiner gegründet, Hradisch 1078, Trebitsch 1089 n. s. f.)
und deren Schulen (als Mutter kann die Olmützer angesehen werden, da sie schon 1063
urkundlich genannt wird) erstanden zwar ebensoviel? Brennpunkte geistiger Arbeit, aber
diese hüllte sich iu lateinisches Gewand und tauschte dasselbe, nur durch die Bedürfnisse
der Gläubigen gezwungen, mit dem böhmischen um. Zeitchroniken, Annalen, Legenden,
interlineare Glossen, Todtenbücher (z. B. in dem Marlyrologium zu Raigern), Urbarien,
Urkunden, auch ein gewisser Antheil an der lustigen Vagantenpoesie des XIII. Jahr-
hunderts sind die ältesten anonymen Zeugen dieses geistigen Lebens; leider verfiel die
Mehrzahl in den häufigen Kriegen dem Brande und anderer Vernichtung. Anderseits
wurde das Aufkommen des böhmischen Schriftwesens dnrch die unter den letzten
Premysliden überhandnehmende Vorliebe des Hofes, des Adels und der Städte für
deutsche Sprache und Sitte gehemmt.
Einen neuen Aufschwung nahm das geistige Leben Mährens unter Karl IV. Prag
wurde zum lockenden Sammelpunkte aller wissensdurstigen Mährer, von da aus strahlte,
vorzüglich durch die ueugegrüudete Universität, geistiges Licht nach allen Ländern
aus, also auch nach dem benachbarten Schwesterlande. Mährischen Ursprung verrathen
manche Denkmäler der altböhmischen Literatur, hauptsächlich durch dialectische Eigen-
thümlichkeiten, so z. B. die erste böhmische Evangelienübersetzung (erhalten in dem Wiener
Evangelistarinm), ebenso das Seitenstettener und das jüngere Olmützer Evangeliarinm,
wobei sich ein Zusammenhang mit der altkirchenslavischen Evangeliumübersetzung zeigt, der
wohl nicht auf bloßem Zufall beruht; der sprachlich höchst wichtige Elementiner Psalter,
sowie die Passion Christi in der Raigerner Handschrift dürften von einem Mährer her-
rühren; auch mehrere Kirchenlieder und poetisch gehaltene Legenden (vom heiligen Georg,
den 10.000 Rittern, von der heiligen Katharina, Barbara, Margarethe n. A.) entsprangen
der religiösen Stimmung der mährischen Geistlichen. Dichterische Veranlagung zeigt anch das
Krumauer Fragment von der Jugend Christi und das allegorische Streitgedicht 8pc>r äuse
s teiem (Streit der Seele mit dem Körper), wenn auch letzterem mehr Witz und Frische
nicht geschadet hätten. Von dem romantischen Epos Alexandreis, das dem lateinischen
Vorbilde Walters de Eastilione ziemlich selbständig nachgedichtet wurde, gibt es einzelne
Fragmente, die uach Mähren hinweisen; die Übersetzungen der asiatischen Reise Marco
Polo's, Million, ferner die Reisebeschreibung John Mandeville's haben sich ebenfalls in
mährischen Abschriften erhalten. Auch der Sequentionarius des Schlesiers Mag. Conrad,
von diesem mit böhmischen Glossen versehen, weist nach Mähren, wo ihn Vaclav
Bzenecky abschrieb. Die Zierde dieser arbeitsreichen Periode bildet jedoch die große
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Mähren und Schlesien, Band 17
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Mähren und Schlesien
- Band
- 17
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1897
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.42 x 21.88 cm
- Seiten
- 750
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch