Seite - 556 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Mähren und Schlesien, Band 17
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Aus solchen ländlichen Festritten sind unzweifelhaft die städtischen Wettspiele, Pfingstschießen,
Königsschießen, Vogelschießen, hervorgegangen, wie sie noch hente in Jauernig, Friedeberg,
Freiwaldau, Tesche», Bielitz und an anderen Orten in der Pfingstwoche gefeiert werden.
Ein bedeutungsvoller Überrest des altheidnischen Festes der Sommersonnenwende
sind die „Johannisfeuer". Am Abend vor dem St. Johannistag (24. Juni), der in die
Sommersonnenwende fällt, werden auf Bergeshöhen Feuer angezündet. Sie sind von
beträchtlicher Größe und werden stundenlang unterhalten. Herangewachsene Burschen
bilden einen Kreis um das Feuer, zünden in diesem ihre pechgeiränkten Beseu an, welche
sie das ganze Jahr hindurch mit Sorgfalt gesammelt haben, schlagen mit denselben Fener-
räder, werfen sie über sich in die Luft und fange» sie beim Herabfallen geschickt wieder
auf. Die übrig gebliebenen Besenstumpfe werden ins Flachsfeld gesteckt mit dem Rufe:
„Flachs, heb dich!"
Auch an diese Zeit lehnt sich mancher Aberglaube. Heiratslustige Mädchen winden
am Vorabend des Johannistages einen Kranz aus Quendel und anderen Blumen und
werfen ihn an irgend einem Baume im Garten nach rückwärts solange in die Höhe,
bis er oben hängen bleibt. So oft sie ihn vergeblich hinaufgeworfen haben, so viele Jahre
bleiben sie noch ledig. Stirbt ein Kind, so ißt die Mutter vor Johauui keine Erdbeeren,
damit dasselbe im Himmel mit dem heiligen Johannes in die Erdbeeren gehen könne.
Der schöne Volksglaube vom Erdbeerenpflückeu der Kinder unter dem Schutze des
heiligen Johannes und noch öfter der Mutter Gottes scheint aus dem Heidenthum zu
stammen und sich auf die Mutter Bertha zu beziehen.
Aus der Fülle der auf die Landwirthschaft bezüglichen Bräuche im Lande seien
folgende mitgetheilt: Wenn der Wind stark durchs Korn streicht, so daß er demselben
nachtheilig wird, so sagt man: „Der Wolf jagt das Korn." Der Bauer bezeichnet mit
den: Wolf, „Kornwolf," einen dem Getreide feindlichen Dämon, der die Ähren taub
macht. Die Vorstellung von diesem Dämon aber ist mit der Zeit zu solcher Selbst-
ständigkeit gelangt, daß er, vom Getreidefelde losgelöst, im Volksglanben und Volksbrauch
und im Kinderspiele :c. eine Rolle spielt. Ein uraltes Spiel unserer Kinder ist dieses:
ein Kind ist der Schäfer, die anderen sind die Schafe; eines lauert in einem Versteck als
Wolf. Der Schäfer, welcher in einer gewissen Entfernung steht, ruft ihnen zu:
Schäfer: Lammle, Lammle, kommt herein!
Schafe: Wir kommen nicht.
Schäfer: Warum denn nicht?
Schafe: Der Wolf steht für.
Schäfer: Wo steht er denn?
Schafe: Hinter'm Strauch.
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Mähren und Schlesien, Band 17"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Mähren und Schlesien, Band 17
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Mähren und Schlesien
- Band
- 17
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1897
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.42 x 21.88 cm
- Seiten
- 750
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch