Seite - 562 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Mähren und Schlesien, Band 17
Bild der Seite - 562 -
Text der Seite - 562 -
562
repräsentirt Holda, die milde, gnädige Göttin der Liebe und Fruchtbarkeit, die Beschützerin
und Förderin des Hauswesens, damit auch des Spinnens. Besonders »in die Weihnachts-
zeit sieht Frau Holle nach, ob fleißig gesponnen wird; sie belohnt die fleißigen, bestraft
die säumigen Spinnerinnen. Sonst als geisterhaftes, schönes Wesen in langem, weißem
Gewände gedacht, erscheint sie bei uns, wenn zürnend, in häßlicher Gestalt. Zur Zeit, als
noch während des Winters das Spinnen eine Hauptbeschäftigung der Dorfbewohner des
Landes war, wurde Kindern, welche nicht fleißig genug damit sich beschäftigten, gedroht,
daß die Spillenholle (Spillendrulle, Spilleumarthe, Spilleulutsche) sie holen werde,
und zwar mit den Worten:
„Spennt, Kcndala, spemit,
De Spellenlutschc kömmt,
Sc guckt zu älla Lächlan rai,
Ebs Stränla Watt bäle scrtigh sain,"
In der Hutuug bei Niederwalde befand sich der Spilleulutscheustein; des Nachts
kamen aus demselben sieben Lichter zum Vorschein. Zu ihm trug die Spilleuholle die
saumseligen Kinder. Bei Wigstadtl werden Mägde nnd Kinder, welche bei der aufgegebenen
Arbeit im Spiuuen — Satsem, Satsich — lässig sind, mit der Satsemsnse, in einzelnen
Ortschaften mit dem Satsichkater geschreckt.
An die Burgruinen Reichenstein, Lobenstein, Wachstein, an die Schlösser in
Domsdorf, Schwarzwasser ze., an den Milchberg bei Odran, an den Wilschgrund bei
Arnoldsdorf?c., knüpfen sich Sagen von „der weißen Frau" , welche von Zeit zu
Zeit sichtbar wird und Erlösung sucht. Der Kern dieser Sagen ist der uralte Mythus von
der Befreiung der im Wolkenberge verschlossenen himmlischen Wolkenfrau.
Gern hört das Volk auch Erzählungen von Berg-, Wald-, Wassergeistern, von
Beigmännlein, Fenesleuten, Wassermännern und Feuermännern. Die Berg- oder Grau-
männlein tragen gewöhnlich einen langen, aschgrauen Rock und einen breitkrämpigen
Hut von derselben Farbe, bisweilen prächtige Kleider. Ihr Gesicht ist von einem herab-
hängenden grünlichen Barte umflossen. Den Menschen leisten sie in schwierige» Lagen
des Lebens Beistand; nur wenn sie ihrer kleinen Gestalt wegen gehöhnt werden, treten sie
als Feinde derselben auf. Sie stehen patriarchalisch regiert unter einem „Bergältesten".
Eine etwas größere Gestalt als die Bergmännlein haben die Feneslente, in
unserem Schlesien Venusleute genannt. Sie leben wie die Bergmännlein in alten Götter-
sitzen und Cultusstätten, in Bergen, Schluchten, Anhöhen und Felsenhügeln. Den Um-
wohnern, namentlich den Hirten, helfen sie bei der Arbeit, sonst auch in Noth und Gefahr.
Der Fenesstein bei Pitarn, die Feneshöhle bei Messendorf, der Fenesstein bei Schwarz-
wasser haben ihre Namen von den Fenesleuten, die nach der Volkstradition dort wohnen.
zurück zum
Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Mähren und Schlesien, Band 17"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Mähren und Schlesien, Band 17
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Mähren und Schlesien
- Band
- 17
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1897
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.42 x 21.88 cm
- Seiten
- 750
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch