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Kürze» treten charakteristischer hervor, der Acut herrscht über den Circumflex, die helleren
Vocale, namentlich i, über die dumpferen. Alles deutet auf höheren Kehlkopfstand und eine
vorherrschend dorsale Artikulation der Vorderzunge. Damit hängt auch die durchgreifende
Monillirnng zusammen, welche oft ganze Consonantengruppeu ersaßt und der Sprache
neben einem ausgesprocheneren musikalischen Charakter größere Weichheit verleiht.
Trotz dieser Verschiedenheiten weisen doch die Laut- und Formeuverhältuisse so viele
gemeinsame Eigenthümlichkeiten auf, daß man berechtigt ist, diese sprachliche Mannigfaltigkeit
nnter dem Gesichtspunkte der Einheit zn betrachten und an einer gemeinfchlesischen Mundart
festzuhalten. Gegenüber anderen Dialecten ist zunächst das langsame Redetempo so charak-
teristisch, daß man selbst den gebildeten Schlesier in ganz Deutschland an seiner gemüthlich
breiten Aussprache erkeuut.
Bezeichnend sind ferner die Accent- und Tonverhältnisse. Nicht als ob, wie behauptet
wurde, dem schleichen Hochton ein geringeres absolutes Maß der Verstärkung zukäme,
vielmehr knüpft sich an die exfpiratorifchen Accente bei einfachen zweisilbigen Wörtern ein
die ganze Mundart durchdringendes musikalisches Verhältniß, nach welchem der Stimmton
der Wurzelsilbe etwa um eine Terz höher liegt als jener der Affixsilben. Um dieses drei-
stufige Intervall zu deutlicher Auffassung des Gehörs zu bringen, begünstigt die Mundart
in der zweiten Silbe Vocale mit größerer Tonfülle; so werden geschwächte Endungen wie die
des Mittelwortes auf „end" durch klangvollere ersetzt — für brennend: brinig, für glühend:
glinig ?c. Hiermit hängt uuter anderem auch der durchgreifende Ersatz der neuhochdeutschen
Endsilbe en durch jenes helle u zusammen, welches Friedrich dem Großen so gefallen
hat, daß er daran gedacht haben soll, das farblose s der Schriftsprache ganz abzuschaffen.
Während im einfachen Worte die Tonverhältnisse maßgebend sind, tritt in Zusammen-
setzungen der exspiratorische Acceut so stark in seine Rechte, daß die zweite Componente
häufig ihres Wurzelvocals verlustig wird: Seuwet — Sonnabend, und selbst bei zwei-
silbigen Grundworten nur eine Liquida als Silbenbildner übrig bleibt: Arpl — Erdäpfel.
Die Eonsonanten befinden sich auf der hochdeutschen Lautstufe. Nur in den
abgelegensten Gegenden findet man bei alten Leuten noch versprengte Reste niederdeutschen
Standes. So hört man in der Sprachinsel um Bielitz statt des ? die unverschobeue Teuuis
t in „ctta" — jetzt, in „gesott" für das gewöhnlichere „gefotzt" — gesetzt, während
der niederdeutsche Übergang des eil in k bei nokwr — Nachbar, valka — Veilchen
allgemein ist. Dem baierifch-österreichischen Dialect gegenüber zeichnet sich der schlesische
durch scharfe Unterscheidung von Tennis nnd Media ans; in einer Reihe von Worten mit
anlautender Labialis oder Dentalis bewahrt er sogar gegenüber neuhochdeutscher Media
die alte Tennis: Pnckel, tnmm; umgekehrt steht 6 für t in doll, Dromml u. a. In der
Gutturalreihe findet sich diese Erscheinung außer vor t: gesakt, gelekt, iu welchem Falle
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Mähren und Schlesien, Band 17"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Mähren und Schlesien, Band 17
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Mähren und Schlesien
- Band
- 17
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1897
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.42 x 21.88 cm
- Seiten
- 750
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch