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folgten. Fehlte ihm auch für die dramatische Erfassung großer historischer Vorwürfe die
Kraft der Concentration, so läßt sich doch bei ihm eine gewisse Gewandtheit in der
Bühnentechnik nicht verkennen. Zudem trifft er den Stimmuugston von der einfachen,
anspruchslosen Laune, wie sie uns in den Lustspielen „Täuschungen oder ein Gesellschafts-
abend" und „Schein beherrscht das Volk" anmuthet, bis zum sarkastischen Witze, mit dem
er Gottsched in seinem Aristophanischen Lustspiel „Hanswursts Verbannung" geißelt, von
dem anmuthigen Tone, wie er in dem einaktigen Künstlerdrama „Rafaels Jugendliebe"
hervortritt, bis zum Grausen, welches uns in der Schicksalstragödie „Der Schatz oder
Mammons Fluch" durchschauert. Vor Allem aber fesselt uns der Dichter durch seine
Novellen und Märchen, und auf seinem „Spaziergang durch die Alpen vom Traunstein
zum Montblanc" (1844) folgen wir ihm als einem vornehmen Führer, der uns mit
reizenden Farben die schöne Einheit von Natur und Leben vor Augen zaubert.
Mit weiser Zurückhaltung hat sich Friedrich Uhl, geboren 1825 in Teschen, in den
Grenzen seines Talentes gehalten. Aus dem Anschauungskreise seiner eigenen Heimat
heraus schrieb er zunächst seine in Frankls „Sonntagsblättern" veröffentlichte schlesische
Dorfgeschichte. Mit sinnigem Verständniß folgte er in mehreren anderen Erzählungen,
wie in dem „Märchen aus dem Weichselthale", den Spuren der Natur, als auch ihn das
Jahr 1848 zum Freiheitssänger erweckte. Mehrere Flugblätter politisch-lyrischen Inhalts
trugen damals seinen Namen über die Grenzen Österreichs. Als sich die Wogen
legten, flüchtete er zum Idyll. Ob er uns in die Landschaften des Banates oder in
das Stillleben an der Theiß (1851) einführt, überall treten uns Natur und Menschen
in künstlerischer Wahrheit entgegen. Dieselbe realistische Treue bewahrte er, als er sich
mit schon gereiftem Einblick in das große vielgestaltige Leben dem Romane zuwandte.
Mit psychologischer Feinheit hat er in der „Theaterprinzessin" (1863) das allmälige
geistige Erwachen eines Mädchens aus dem Volke gezeichnet, welches, für die Knnst
entflammt, einzig und allein den: lauteren Pulse ihres Herzens folgt und hierdurch in die
traurigsten Lagen sittlicher Bedrängniß geräth. Aus unmittelbarer Anschauung entwarf er
das durch sittliche Contraste ausgezeichnete Zeitbild „Haus Fragstein" (1878), in welchem
edler Familiensinn den Kampf gegen schwindelhaftes Treiben aufnimmt. Selbst wenn uns
der Dichter eine fremde Welt zu erschließen sucht, weiß er dort, wo die Phantasie der
historischen Überlieferung zn Hilfe kommen muß, mit innerer Wahrheit nachznfchaffen. In
der „Botschafterin" (1880) hat er der französischen Diplomatin am polnischen Hofe
Ladislaus' IV. einen Zug deutscher Gutmüthigkeit und Herzlichkeit zugesellt, welcher uns
das Fremde, ohne seinen eigenartigen Charakter zu störe«, innerlich näher rückt. Was den
Romanen Uhls an spannenden Momenten abgeht, ersetzen sie durch plastische Anschaulichkeit
und künstlerische Führung.
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Mähren und Schlesien, Band 17"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Mähren und Schlesien, Band 17
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Mähren und Schlesien
- Band
- 17
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1897
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.42 x 21.88 cm
- Seiten
- 750
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch