Seite - 665 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Mähren und Schlesien, Band 17
Bild der Seite - 665 -
Text der Seite - 665 -
665
Von besonderer Wichtigkeit für den landwirthschaftlichen Betrieb ist die fast auf
keinem schleichen Gutskörper fehlende Spiritusbrennerei. Der größte Theil der
Kartoffelernte der großen Güter wird zu Spiritus verarbeitet und dadurch ein werthvolles,
exportfähiges Produet gewonnen. Die Spirituserzeugung bringt aber auch noch den
Vortheil, daß der Abfall derselben, die Schlempe, ein vorzügliches Futtermittel ist,
wodurch die Viehhaltung an Ausdehnung und Ertrag gewinnt. Das von einem Hektar
Kartoffelland durch die Schlempe gewonnene Futter kommt einer Ernte von etwa
20 metrischen Centnern Heu gleich. Die schleichen Großgrundbesitzer haben dieses
Mittel, den Boden in der billigsten Weise zu bereichern, allenthalben benützt und auf ihren
Gütern landwirthschastliche Brennereien errichtet, welche nach der Ausdehnung der
Güter, täglich je 15 bis 35 metrische Centner Kartoffel verarbeiten. Dem Futterbedarfe
entsprechend stehen die Spiritusbrennereien während der rauhen Jahreszeit sechs bis
acht Monate im Betriebe. In der Campagne 1890 und 1891 waren im östlichen
Schlesien 54 Brennereien im Gange und erzeugten 21.000 Hektoliter Alkohol im
beiläufigen Werthe von 300.000 Gulden. Bevor dieses Spiritusquantum in Verkehr
gebracht wurde, ist für dasselbe eine Consumsteuer von 740.000 Gulden an den Fiscns
gezahlt worden, so daß der Verkehrswerth des Prodnetes einer Campagne eine Million
Gulden übersteigt.
In technischer Hinsicht sind die Erfolge der Spiritusbrennereien befriedigend; man
gewinnt aus 100 Kilogramm Kartoffel 1 l bis 13 Liter Alkohol. Die Mehrzahl der
Brennereien ist gut eingerichtet und finden wir fast allerorts Henze'sche Dämpfer, Maisch-
bottiche mit Rührwerken und Kühlvorrichtungen, sowie gut construirte Destillirapparate.
Alle diese Einrichtungen haben einen nicht unbedeutenden Capitalsaufwand erfordert,
man ließ sich aber bei diesen Investitionen von der Erwägung leiten, daß die Förderung
des Brennereigewerbes besonders geeignet sei, den Ertrag der kalten und wenig fruchtbaren
Böden Ostschlesiens zu steigern.
Das Heil der Landwirthschaft Schlesiens liegt für Groß- und Kleingrundbesitz fast
nur in der Entwicklung der Viehzucht. Die im Allgemeinen uuvortheilhafte Getreide-
conjuuetur trifft ja am schwersten ein Land, das wie Schlesien so ungünstige Bedingungen
für die Cultur der Cerealien hat; das feuchte Klima begünstigt dagegen das Wachsthum
der Futterpflanzen und weist so von selbst auf die Entwicklung der Viehzucht hin.
Von besonderer, ja geradezu charakteristischer Bedeutung für die Landwirthschaft
Ostschlesiens sind die daselbst befindlichen Latifundien. Vor allen hervorragend als
.Culturbild ist die Kammer Tesche«, jener mächtige, gegenwärtig im Besitze Seiner
k. und k. Hoheit des durchlauchtigsten Erzherzogs Friedrich befindliche Gütercomplex,
dessen Bewirthschaftuug durch nahezu fünfzig Jahre in der Hand weiland Seiner
zurück zum
Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Mähren und Schlesien, Band 17"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Mähren und Schlesien, Band 17
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Mähren und Schlesien
- Band
- 17
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1897
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.42 x 21.88 cm
- Seiten
- 750
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch