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von 1857 bis 1863 einer Restaurirung, dann 1875 einer Ausbesserung unterzogen,
schließlich aber 1877 abgetragen und durch eine neue Kirche, die vierte an der nämlichen
Stelle, ersetzt.
Auffallenderweise finden sich in dieser ganzen Geschichte der Kirche die Namen der
Meister nicht erwähnt, ja es kommen auch keinerlei Daten vor, die einen Schluß auf
dieselben gestatten würden. Die Wirksamkeit der wenigen Meister, deren Nameu iu
Verbindung mit der Kirche erwähnt werden, fällt erst in die Zeit nach 1437, wo der Bau
schon so viel wie vollendet war, sie können also nur Arbeiten von geringerer Wichtigkeit
geleistet haben. Der hervorragendste scheint Stephan Crom zu seiu. Sein Name kommt
von 1446 bis 1480 einige Male in den Rechnungen vor, aus denen hervorgeht, daß er
den oberen Abschnitt des nördlichen Thurmes gebaut hat; ein Nikolaus Crompholz stellte
in den Jahren 1496 bis 1497 den beschädigten Nordthnrm wieder her. Erwähnt sind
ferner Augustin Crom und der Baumeister Thaddäus Schynnagel, der hier im Jahre 1452
Kirchenvater war.
Ganz grundlos ist die Vermuthung, daß der französische Banmeister Villard de
Honnecourt den Plan der Kirche verfertigt habe. Daß dieser in Ungarn gewesen, erhellt
aus Aufzeichnungen in seinem uns erhaltenen Skizzenbnche; aus anderen Daten des
nämlichen Buches geht aber auch hervor, daß die Notizen aus der Zeit zwischen 1243 und
1251 stammen, wo Villard in seinen besten Jahren stand und ein berühmter Baukünstler
war. Hieraus erklärt es sich, daß er — nach seinen eigenen Worten — „nach Ungarn
berufen wurde". Er dürfte seit dem Jahre 1244 zwei oder drei Jahre hier geweilt haben,
was also ungefähr 130 Jahre vor die Erbauung der dritten Kaschaner Kirche fällt.
Vermuthlich kam er nach dem Tatarenstnrm auf Belas IV. Einladung nach Ungarn,
betheiligte sich hier an dem damaligen Aufschwung der Bauthätigkeit und in diesem
Zusammenhange auch an der Verpflanzung der gothischen Bauweise, so daß er der durch
deutsche Ansiedler geübten deutschen Stilrichtung gegenüber einer der Vertreter des
französischen Baustils war.
Im XIII. und XIV. Jahrhundert waren die französischen Baumeister in Ungarn
nichts Seltenes. Die im XIII. Jahrhundert erbaute, jedoch später zerstörte Kathedrale zu
Kaloesa, deren Chor einen Umgang nebst Kapellenkranz hatte, mag ein Werk jenes
Steinmetzmeisters Martin Ravegy gewesen sein, dessen Grabstein sich, in die Mauer der
jetzigen Kathedrale eingefügt, bis heute erhalten hat. ,Nartinus IlaveM lapieiäa ^aest
I>ie", so lautet die Inschrift des Grabsteines. Bekanntlich hatte König Sigismuud
(1387 bis 1437) französische Baumeister und Steinmetzen nach Ofen kommen lassen. Auch
das mit Umgang und Kapellenkranz versehene Chor der verschwundenen Kathedrale von
Erlan bekundet französischen Ursprung.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (5), Band 18
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (5)
- Band
- 18
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.02 x 21.71 cm
- Seiten
- 462
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch