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gothischen Coustruetion gemahnt, sind Beweise, daß der Urheber nicht ganz mit den
gothischen Überlieferungen zu brechen vermochte, also mit der Schule der Bildhauer-
Baumeister in Como übereinstimmt, die am längsten unter dem Einfluß der gothischen
Kunst verblieb, ja sich an deren Ausbreitung in der Lombardei betheiligte. Der außer-
gewöhnliche Reichthum des Ornaments aber entspricht der anderen charakteristischen
Eigenschaft dieser Schule, in ihrer Verzierungslust das Bauwerk mit Bildwerk zu über-
laden, ja zu erdrücken. Die vier freistehenden Figuren sind die Heiligen Christoph, Leopold,
Barbara und Katharina von Alexandrien. Von den neun, in den Rahmen des Aufbaues
gefügten Scenen stellen die an der Predella befindlichen die Geburt Christi und die
Flucht nach Egypten vor; in der Mitte besiegt St. Georg den Drachen; in dem Rahmen
über ihm steht er vor dem Kaiser Diokletian; in dem obersten, überhöhten Halbkreisrahmen
schießen römische Bogenschützen auf den heiligen Sebastian; auch die beiden Seitenflügel
enthalten Märtyrerscenen. Die Figuren sind beinahe freistehende Statuen. Ihre unrichtigen
Verhältnisse, die übermäßig langen, gespreizten Beine, die starren Geberden denten auf
Mangel an anatomischen Kenntnissen, ihre Eckigkeit aber auf Mangel an Sinn für schöne
Form. Dagegen drücken ihre Bewegungen die Handlung gut aus, ja sie haben zum Theil
dramatische Lebendigkeit; die Ausführung ist roh.
Ein erwähueuswerthes Einrichtungsstück ist ein Betstuhl in der Festungskapelle zu
Käsmark; seiner Form nach einfachere Tischlerarbeit, ist er doch sehr interessant wegen
der farbigen Holzintarsia, die seine beiden Seiten schmückt nnd das geräumige Innere
eines Gebäudes, mit Wölbung und Säulen, sowie in zwei Medaillons die Brustbilder
eines Mannes uud einer Frau vortrefflich wiedergibt. Er ist von den dortigen Meistern
Johann nnd Christoph Lang 1544 verfertigt.
Die Spnren der deutschen Renaissance zeigen sich in der zweiten Hälfte des XVI. Jahr-
hunderts. Während einerseits die gothischen Grabplatten bis Ende des Jahrhunderts
gebräuchlich blieben, entstanden andrerseits auch Grabmäler, die mit den zähen Über-
lieferungen brachen. Auch diese fügen sich in die Wand der Kirche oder in irgend einen
Pfeiler ein, sind aber vermöge ihres ans Sänken, Karyatiden nnd ähnlichen Elementen
gebildeten Rahmens eher architektonische Werke, an denen die das deutsche Renaisfance-
ornament charakterisireuden gebogenen nnd gerollten Formen Platz finden. Ihr Material
ist verschieden: Bronze, rother und weißer Marmor, Schiefer, Sandstein und gelblicher
Kelheimer Kalkstein. Sie bestehen meist aus zwei Feldern, die durch den architektonischen
Rahmen zusammengefaßt sind. Das eine Feld ist mit einer redseligen Grabschrist ausgefüllt,
in dem anderen befindet sich eine Reliefdarstellung des zu Füßen des Schmerzensmannes
oder des Gekreuzigten knieenden Verstorbenen und seiner Angehörigen. Die Reliefs sind
meistens fein ausgearbeitet, die Gestalt Christi zeugt von anatomischen Kenntnissen,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (5), Band 18
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (5)
- Band
- 18
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.02 x 21.71 cm
- Seiten
- 462
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch