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Schwärme von Kranichen, und zur Erntezeit sind die Stoppelfelder mit Scharen von
Wandervögeln bedeckt: das verleiht der schönen Ebene ganz den Charakter des Alföld.
Mitten hindurch fließt die Waag, in vielen Windungen, mit geräumigem Überflutungs-
gebiet und schwachem Gefäll. Ihr Bett wird an 150 Klafter breit, ihre Wassermenge beträgt
bei dem geringsten Wasserstande 2.200 Quadratklafter die Secunde, ihre Tiefe (fünf Fuß)
genügt, um selbst Schiffe bis Farkasd hinanfgelangen zu lassen. Allein schon bei mittlerem
Wasserstande füllt sich ihr Bett bis an den Rand, der höchste Stand aber erreicht ein bis
zwölf Fuß über dem Ufersaum; und da in der Gegend der Waagmündung auch der
Fall und Wasserstand der Donau den der Waag übertrifft, so wirkt die Flnth der Donau
bis nach Farkasd zurück, und bei dem höchsten Wasserstand der Donau würde das Waag-
bett Wasser haben, auch wenn die Waag selbst und ihre Nebenflüsse keinen Tropfen beizu-
tragen hätten. Diese Hochwasser rufen in der Gegend die zahlreichen Wildwasser, Sümpfe
und Tümpel hervor; ihretwegen hört die Bevölkerung immer mit Schrecken, daß das
Wasser zu steigen beginnt, denn da es gegen die Neutra hin keine Wasserscheide gibt,
können die Fluten beider Flüsse sich leicht vereinigen und förmlich ein kleines Meer bilden.
Und dieses Übel ist umso schlimmer, je größer die laudwirthschastliche Wichtigkeit des
Bodens, der aus vorzüglichem Thon und schwarzem Humus besteht und den reichsten
Ertrag an Getreide und Heu gewährt. Günstiger steht es um das Überflutungsgebiet der
Flüsse Neutra uud Zsitva; da nämlich die Neutra nur einen schwachen Fall nnd geringe
Wassermengen hat, kann sie keine außergewöhnlichen Schäden verursachen, das gemein-
same Überschwemmungsgebiet aber liegt so hoch, daß es selbst für das höchste Hochwasser
der Donau unerreichbar bleibt.
Die erste Gemeinde der wir im nördlichen Theile dieser Ebene begegnen, ist Vag-
Sel lye. Es erscheint schon zur Zeit Stefaus des Heiligen unter dem Namen Sala;
später verlieh Böla IV. die Brücken- und Übersuhrmauth des wichtigen Übersetzungspunktes
den Prämonstratensern von Tnröez. Nachmals fiel es den Jesuiten zu, die hier ein Gymna-
sium errichteten und ein Eolleg erbauten, allein die Scharen der Türken und der
Insurgenten zwangen sie 1615 sich nach Tyrnau zurückzuziehen. Jetzt gehört es der
Budapester Universität. Eine Brücke und Eisenbahn führt über die Waag nach dem
wichtigen Eisenbahn-Stapelplatz Tornöcz. Ringsum steht die Landwirthschaft in hoher
Blüte; ehemals freilich stand die Viehzucht voran. Der wasserreiche Boden begünstigte
die Schweinezucht, und Szelöcze war einst der Hauptort der königlichen Schweinehirten.
Auf den südlicher gelegenen herrlichen Wiesen weideten Gestüte, nnd die Puszta Akolmäny
bezeichnet noch heute den Ort, wo die königlichen Roßhirten ihre Ställe (akol) hatten.
Später gelangte die Schafzucht zur Blüte. Jetzt aber ist diese Gegend der Hauptbezirk der
Gemüsecultur im Neutraer Comitat. Sellye, Vecse, Hosszusalu, Tornöcz, besonders aber
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (5), Band 18
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (5)
- Band
- 18
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.02 x 21.71 cm
- Seiten
- 462
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch