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Einvernehmen, nehmen einer an des Anderen Schicksal mit aufrichtigem Wohlwollen theil,
und stößt dem oder jenem ein Unglück zn, so helfen ihm die Übrigen gern, jeder Einzelne
nach seinen Verhältnissen.
Volksgebräuche. Es gibt keine festliche Gelegenheit, bei der das slovakische Volk
nicht an gewissen Förmlichkeiten festhielte. Bei jeder Zusammenkunft werden die alten
Bräuche eingehalten, deren Übung auch unverändert von Geschlecht zu Geschlecht weiter-
gegangen ist.
Betritt man ein Haus und sieht, daß eine Ecke der Stube durch weiße Leinentücher,
die von der Decke bis zum Boden reichen, ifolirt ist, so weiß man sofort, daß sich die
Familie um ein neues Mitglied vermehrt hat. In dem Bette hinter den Leinentüchern
liegt die Mutter mit ihrem neugeborenen Kinde, und neben das Bett sind verschiedene
Speisen hingesetzt, die Tag für Tag von der Gevatterin, der Verwandschaft und den
Nachbarn für die Wöchnerin geschickt werden. Neben den Schüsseln voll Krapfen, Eier-
speise und Kuchen steht da auch die Flasche mit Zucker- oder Honigbranntwein, die die
Wöchnerin allen Besuchern anbietet. Tritt ein Mann ins Zimmer, so stellen sich die Weiber
vor die Leinentücher hin, zum Zeichen, daß da kein Mann hingehen darf, die schlaue
Hebamme aber hascht dem Manne seinen Hut weg, den er dann auslösen muß.
Wenn die Hebamme das Kind zum ersten Mal badet, wirft der Vater einige Geld-
stücke in das Bad, um das Kind von ihr loszukaufen; die Weibsleute des Hauses aber
thun einen Brodlaib auf den Tisch und decken ihn mit einer Reuter zu, damit das
Kind brav sei und rasch gedeihe.
Am zweiten, selten am dritten Tage nach der Geburt findet die Taufe statt. Auf
dem Wege zur Kirche trägt gewöhnlich die Gevatterin das Kind, auf dem Rückwege aber
die Hebamme, die im Eintreten bei den Eltern die Worte spricht: „Einen Heiden haben
wir hinweggetragen, einen Christen haben wir zurückgebracht." Dann legt sie das Kind
auf den Tisch und fordert die Anwesenden auf, „wer von ihnen das Kind am meisten liebe,
möge es zu seiner Mutter hintragen". Der Vater weiß, was seine Pflicht ist, und läßt sich
auch Niemanden zuvorkommen. Ist das Neugeborene ein Mädchen, so eilt man mit ihm
nach der Kirche, damit es noch vor der Messe getanft werde, denn dann kommt es bald
unter die Haube. Am Abend des Tauftages wird das Kind nicht gebadet, damit es nicht
sterbe. Die zur Taufe geladenen Gevatterinnen und Nachbarinnen richten einen großen
Schmaus an und nehmen sich von den überallher zusammengetragenen Speisen noch
nach Hause mit
Die Wöchnerin liegt 14 bis 21 Tage in der „Ecke der Stube" (v küte), dann steht
sie auf und geht in die Kirche zur „Weihe", und wenn sie von da nach Hause kommt,
werden die das Bett verhüllenden Leinentücher abgenommen. Von nun an geht die
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (5), Band 18
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (5)
- Band
- 18
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.02 x 21.71 cm
- Seiten
- 462
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch