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die Braut fehlt. Sie ist in der Kammer versteckt, oder in der Nachbarstnbe, oft gar auf
dem Hausboden. Der Brautführer wird ausgesandt sie zu suchen, der aber absichtlich ein
anderes Mädchen hereinführt und erst das dritte Mal die Braut selbst herbeischafft.
Noch dieser und jener Zauberbrauch, dazu einiges Gläserklirren, dann knien Braut
und Bräutigam vor den Eltern nieder und bitten um ihren Segen, die Brautjungfern
singen Lieder, die den Schmerz der Mutter beim Abschied von ihrer Tochter behandeln,
und dann macht sich die Hochzeitsgesellschaft zum Kirchgang auf. Voran schreiten mit
Musikbegleitung die beiden Beistände mit dem Bräutigam und den männlichen Gästen,
hinter ihnen die Hochzeitmntter mit der Braut und den weiblichen Gästen; oder auch
sie gehen paarweise und die Braut schreitet zur linken Seite eines Brautführers, wobei
sie jedes den Zipfel eines rothen Tüchleins gefaßt halten. Die Brautführer begeben sich
ins Pfarrhaus und übergeben die mitgebrachten Geschenke, wobei sie den Pfarrer bitten,
sich in die Kirche zu bemühen und das Pärchen zn vereinen. Die Hochzeitsgesellschaft
wartet vor der Kirche und die Mädchen singen Gelegenheitslieder. Bevor sich die Brautleute
vor den Altar begeben, trachtet die Braut dem Bräutigam auf die Hacken zu treten,
um ihn im Leben zu beherrschen. Beide sind dann bestrebt, gleichzeitig vor den Altar
zu gelangen, denn wer zuerst hintritt, wird zuerst sterben. Im oberen Theile des
Trentschiner Comitats hält die Braut, so lange sie vor dem Altar steht, eine Nelke im
Munde, die sie, wenn sie sich entfernen, dem Bräutigam in den Mund steckt; das sichert
sie vor Untreue des Gatten.
Beim Austritt aus der Kirche wird die Hochzeitsgesellschaft von der Musik begrüßt.
Aber schon wenige Schritte vom Kirchenthor hält der Hochzeitszug vor einem aus farbigen
Bändern bestehenden Schranken, wo die Mädchen des Dorfes keinen durchlassen, der ihnen
nicht ein paar Geldstücke schenkt. Der Zng begibt sich gewöhnlich nach dem Hause der
Braut, wo ein Gastmahl stattfindet, und schließlich ist im Wirthshause ein Tanz.
Tags darauf versammelt sich die Hochzeitsgesellschaft im Hause der Braut nochmals.
Die Hausleute packen die Ausstattung der Braut auf einen Wagen und der Zug bewegt
sich nach dem Hause des Bräutigams, zu Fuße oder zu Wagen, je nach der Entfernung.
Hier empfängt der Beistand des Bräutigams den Zug und fragt zunächst die Braut,
was sie ihnen gebracht habe; darauf antwortet diese: Gesundheit, Glück und den Segen
Gottes. Jetzt überreicht an manchen Orten der Beistand des Bräutigams der Braut
Geschenke: ein Paar glänzende, neue Stiefel, in deren einem sich Silbergeld, in dem
anderen eine hübsche Schürze befindet. Dagegen verlangt auch er von der Braut ein
Geschenk für den Bräutigam, „damit er habe, worauf das müde Haupt niederzulegen".
Daran hat die Braut auch nicht vergessen; sie gibt ihm ein ganzes Bett voll Polster
nebst Federbett.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (5), Band 18
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (5)
- Band
- 18
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.02 x 21.71 cm
- Seiten
- 462
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch