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ständen herum, er schnitzt Schalmeien, allerlei Thierfiguren oder jene Trinkbecher (örpäk)
aus trockenem Ahornholz, die mit ihren verzierten Henkeln den einzigen Luxusgegenstand
in seiner Hütte bilden.
Die ständige Behausung des Schafhirten, die sogenannte „Koliba", steht an irgend
einem Bergquell oder Bächlein und ist eine ärmliche Hütte aus Fichtenbalken, mit einem
Bretter- oder Schindeldach. Gewöhnlich besteht sie aus zwei Räumen, die sich in einander
öffnen. Ju dem ersten Raume steht der Herd, da hängen die fettigen Kleider des Hirten,
und auf den Stellbrettern steht das erforderliche Holzgeschirr. Der rückwärtige Raum dient
als Kammer, wo der Schäfer (Großhirt, daea) den fertigen Vorrath an Butter und Käse
verwahrt und wo er allein Zutritt hat. Auf jeder Hirteu-Tauya gibt es außer dem Schäfer
noch zwei oder drei Schäferknechte. Die Berechnung ist, daß jedem Schäferknecht 80 bis
90 Stück aus der Schafherde zufallen, da dies das Meiste ist, was ein Mensch tagsüber
melken kann. Unweit der Koliba befindet sich die Hürde (kosiur), ein langes Viereck mit
zerlegbarem Fichtenzaun. Da treiben die Schäferknechte abends die Schafe hinein, was
aber anfangs nur mit großer Mühe zu bewerkstelligen ist. Um sie daran zu gewöhnen,
verbrennt der Schäfer in der Mitte der Hürde einen Brocken Pech, wodurch der böse Geist
ausgetrieben wird; dann verstreut er im Xosiar gestoßenes Salz und ruft die Schafe durch
Pfiffe. Ist es ihm gelungen, sie alle hineinznlocken, so ist er fest überzeugt, daß kein Stück
der Schafherde verloren gehen und daß die Herde schön gedeihen wird.
Jeden Abend, wenn die Schafhirten sich vor der Koliba versammeln, gibt der Schäfer
seine Befehle für den folgenden Tag, er bezeichnet jedem die Richtung, in der er morgen
die Herde treiben soll, und worauf er dabei zu achten hat. Früh Morgens, wenn der
Himmel sich kaum röthet, steht der Schafhirt auf, greift zum Melkkübel (sseleta, krot),
setzt sich au das Thor der Hürde und melkt die Schafe, eins nach dem andern, worauf er
sie hinausläßt. Wenn das gethan ist, macht sich jeder mit seinem Herdentheil auf den Weg
nach der Alpentrift. Der Schäfer bleibt allein in der Hütte und geht sofort ans Kochen
des Ziegers (Nneica). Er gießt die frische Schafmilch in den Kupferkessel über dem Herde,
macht darunter Feuer an und schüttet die Milch, wenn sie aufgekocht ist, in ein großes
Gefäß, die sogenannte .putera". Er thut Lab hinein, wovon die Milch topfig (käsig)
wird, und damit ist der süße Zieger fertig. Nun wäscht sich der Schäfer die Hände, macht
ein Kreuz über die Milch, nimmt den zusammengeballten Topfen als Masse von dem
Umfang eines kleinen Brodlaibes aus dem Gefäß und hängt ihn, in ein reines Linneutuch
gebunden, über einem Geschirr auf, in das die Mölke abrinnen kann. Nach 24 Stunden
ist der Topfenkäse (krucka) fertig. Aus diesem bereitet man dann den bekannten und beliebten
oberländischen Schafquark (drin6?a) und die Käsearten „oZt^epka" und ,pärenica". Den
nach der Topfengewinnnng übrig gebliebenen Zieger kocht der Schäfer nochmals auf, rührt
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (5), Band 18
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (5)
- Band
- 18
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.02 x 21.71 cm
- Seiten
- 462
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch