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privilegirten Gewalt auch ihre eigene cechische Sprache zu einer gewissen Herrschast im
öffentlichen Leben des oberungarischen Slovakenthums, ja sie bedienten sich der cechischen
Sprache selbst in ihrem Verkehr mit den magyarischen Bevölkerungen und Behörden des
Landes, was durch zahlreiche Urkunden in den Archiven der oberungarischen Städte
bezeugt wird. Sie begnügten sich nicht damit, für ihren Theil Kirchengemeinden zu
gründen, sondern trachteten durch Unterricht und, wenn dies nichts fruchtete, selbst durch
Gewalt, auch die einheimische Bevölkerung zur Annahme des hussitischen Glaubens zu
bewegen. An manchen Orten verjagten sie die katholischen Geistlichen und setzten an ihre
Stelle hussitische Prediger; so entstanden in manchen oberungarischen Comitaten binnen
kurzer Zeit auch unter den Slovaken viele hussitische Kirchengemeinden.
Auf solche Art drang im Oberlande die cechische Sprache sowohl in den weltlichen,
als auch in den kirchlichen Gebrauch ein, und es ist nicht zu verwundern, daß den stamm-
verwandten Slovaken, in Ermanglung einer eigenen Schriftsprache, diese ihnen größten-
teils verständliche Schwestersprache willkommen war. Sie machten sie, als die lutherische
Kirche um sich griff, zu ihrer Schriftsprache und behielten sie von der Mitte des XV. Jahr-
hunderts an durch Jahrhunderte bei, obgleich die cechische Schriftsprache sich zur Sprache
des slovakischen Volkes ebenso verhielt, wie das Altslovenische znr russischen, serbischen
oder bulgarischen Volkssprache. Sobald sich aber russische, serbische und bulgarische Schrift-
steller fanden, die einsahen, daß die Folge eines historischen Ereignisses ein Volk nicht für die
Znkunst binden kann, und sobald sie die Überzeugung gewannen, daß das russische, serbische
oder bulgarische Volk das Recht habe, sich seiner eigenen Sprache zu bedienen, hörte bei
den betreffenden Nationen die Herrschaft der altslovenischen Sprache sofort auf. Auch bei
den Slovaken schwand die Herrschaft der cechischen Sprache, als mehrere slovakische
Schriftsteller sich vereinigten und ihre eigene Muttersprache zur Schriftsprache erhoben.
Daß die cechische Sprache Jahrhunderte lang in den Büchern der Slovaken
gebräuchlich war, ja noch bis heute in der slovakischen Liturgie der evangelischen Kirche
herrscht, hat den slavischen Gelehrten die irrige Meinung beigebracht, daß das slovakische
Volk ein Theil der cechischen Nation und die slovakische Sprache ein Dialect der
cechischen sei. Und doch ist das slovakische Volk kein Theil der cechischen Nation nnd seine
Sprache kein Dialect der cechischen. Auf Grund genauer Kenntniß der slovakischen Volks-
sprache ist es erweislich, daß die slovakische Sprache in der slavischen Sprachfamilie eine
besondere, selbständige Sprache bildet. Die Slovaken haben sich nie und nirgends Cechen
und ihre Sprache Cechisch genannt; immer nannten sie sich Slovaken und ihre Sprache
slovakische Sprache (Slovenska ree), und diese Benennung ist nicht Pvlitischer oder
geographischer Natnr (wie das ,mvravan" dem .öecli« gegenüber), denn ein Land
namens „Slovakei" kommt auf dem von Slovaken bewohnten Boden in der ganzen
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (5), Band 18
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (5)
- Band
- 18
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.02 x 21.71 cm
- Seiten
- 462
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch