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Die Tanskapelle, welche aus dem XIV. Jahrhundert stammt, trägt eine deutsche
Inschrift. Noch im XVI. Jahrhundert wurden hier Predigten in zwei Sprachen gehalten,
bis endlich die polnische Sprache wieder zur Herrschaft gelangte. Den Deutschen überließ
man dafür das in der Nähe befindliche Kirchlein der heiligen Barbara.
Wenn man in die Kirche „unserer lieben Frau" eintritt, so hat man drei sehr alte
Fenster vor sich, welche, im Hintergrunde des Chores angebracht, farbig und leuchtend,
einem Mosaik aus Saphiren, Topasen und Rnbinen gleichen. Von diesen Fenstern heben
sich die goldenen Figuren des Hochaltars, des von Veit Stoß ausgeführten riesigen
Tryptichons wirksam ab. Weuu die Altarflügel offen stehen, sieht man in dem Mittelfelde
die geschnitzte Darstellung von dem Tode der Gottesmutter im Kreise der Apostel. Ist der
Altar geschlossen, so zeigt er uns eine Reihe von Scenen aus dem neuen Testamente auf
himmelblauem Grunde, welcher hie und da mit Sternen besäet ist.
Als man vor einigen Jahren die Restanrirung des alterthümlichen Baues unternahm,
wurden die Wände von Jan Matejko Polychromat. An den Wänden des Chores hat
Matejko eine Reihe von Engeln dargestellt, von denen ein jeder eine Banderole in der
Hand hält, worauf eine Anrufung der Mutter Gottes geschrieben steht, mit je einem der
Titel, welche ihr die lauretauische Litanei beilegt. Um das Innere des Gotteshauses herum
sind die Worte des Liedes ,3alve angebracht, im Hauptschiff sieht man
verschiedene Wappen, so die der städtischen Zünfte, der Facnltäten der Universität zc.
Das Bogengewölbe der Decke ist mit goldenen, sich ineinander schlingenden, ans Sternen
gebildeten Bändern überzogen Die Kirche mag in Folge dessen heute etwas bunt und unruhig
erscheinen, doch beginnt bereits die Zeit die Farben zu verschmelzen und eine großartige
Harmonie unter ihnen herzustellen. Auf keinen Fall wird man sich der Erkenntniß verschließen
können, daß eine große Seele diese Malerei inspirirt hat. Will man diese höchst kühne und
ganz und gar individuell geschaffene Polychromie vollauf würdigen, so muß man einmal
Abends, zur Zeit der Maiandacht, in die Frauenkirche eintreten oder auch zur Hirtenmesse
nm Mitternacht des „heiligen Abends" oder endlich während der großen Auferstehungs-
procession am Charfamstage. Da strahlt die Kirche von Lichtern, die Farben aber
verbinden sich zu seltsam rnhiger Harmonie nnd die Sterne des Gewölbes sehen aus
einem Nebelschleier hernieder, als wären es die wirklichen Sterne des Himmels.
Bei jener Restanrirung wurden die weißen Scheiben der Fenster durch grünliche
.k'onäs <lö bouteillk-, bald auch durch einige prächtige bunte Fenster ersetzt. Sonst aber
ging man pietätvoll zu Werke. Man rührte weder an den Barock-Altären und Sänger-
chören, uoch au den manierirten Gemälden; man verschob weder das Tabernakel
noch den gekreuzigten Christus, dem ein getriebenes Silberblech als Hintergrund dient;
es blieb der polnische weiße Adler, welcher den Orden des goldenen Vließes am Halse
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Band 19
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Galizien
- Band
- 19
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.48 x 22.34 cm
- Seiten
- 920
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch