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benannt — konnte das alte Lemberg wohl Reichthümer sammeln und als eine der
opulentesten Städte im Königreiche gelten, war aber nicht in der Lage, nach Art der
deutschen und italienischen Handelsstädte dem bürgerlichen Wohlstande in monumentalen
Bauten stolzen Ausdruck zu geben. Seine Bürger waren Kaufleute und Soldaten zugleich,
ja in mancher Zeit das letztere in viel größerem Maße als das erstere, und dieser Umstand
neben den ungemein zahlreichen Belagerungen und noch zahlreicheren verheerenden Bränden
erklärt uns das Knappe, Schlichte, rein Zweckmäßige der meisten bis auf unsere Zeit
erhaltenen Baudenkmale. Der Ringplatz mit den anliegenden Gassen, der alte Kern der
Stadt, so wie sie einst mit Mauern und Basteien umgürtet war, hat von seiner alter-
thümlichen charakteristischen Physiognomie in der letzten Zeit Vieles, ja das Meiste
eingebüßt, doch haben noch einige alte Patrizierhäuser ihre ursprüngliche Form und
Decoration genügend bewahrt, um als Proben der Lemberger Profanbaukunst und der
bürgerlichen Wohlhabenheit gelten zu können.
Mit geringer Ausnahme sind es schmale, zweistöckige, dreisensterige Häuser, manche
unter ihnen in architektonischer nnd decorativer Hinsicht recht interessant und bedeutend. Aus
dem mittelalterlichen Lemberg, dem genuesischen „Lolleo" und der deutschen „Leynburk",
ist uns kein Stein geblieben, aber auch von den viel späteren steilgegiebelten Ringhäuseru
mit gothischem Zierwerk, von denen uns locale Geschichtsquellen berichten und die beinahe
durchwegs auf deutsch-schlesische Baumeister des XIV. und XV. Jahrhunderts zurückzuführen
wären, hat sich keines erhalten — der furchtbare Brand im Jahre 1527 hat sie alle vernichtet.
Der Neuaufbau der eingeäscherten Stadt traf in den Zeitpunkt, in welchem an Stelle
des deutschen der italienische Einfluß in der polnischen Baukunst maßgebend geworden
und italienische Baumeister sich verhältnißmäßig zahlreich in Lemberg angesiedelt haben;
daraus ergibt sich auch der architektonische Charakter der ältesten Renaissance- und
Barockhünser Lembergs. Als das stattlichste, palastartige Patrizierhaus stellt sich das
sogenannte Sobieski'sche Haus an der Ostseite des Ringplatzes dar, wahrscheinlich von
dem Italiener Pietro Barbone für den Lemberger Kaufherrn Constautin Koruiakt aufge-
führt, einem candiotischcn Griechen, der, nachdem er als Wein- und Baumwollenhändler
und königlicher Zollpächter große Reichthümer erworben, sein Haus durch Heiraten mit
den mächtigsten und glänzendsten Adelsgeschlechtern Polens verband. Es ist ein ziemlich
schlicht, aber edel gedachter Renaissancebau mit figurenreicher Attika und reich decorirtem
Portale, mit vielen interessanten Details in den inneren Räumen und mit Arkadengängen
im Hofe. Minder stattlich und geräumig, aber viel zierlicher und ungemein fein in der
Ausführung der Frontseite ist ein anderes Patrizierhaus in derselben Häuserreihe, das
Haus Nikauor Auczewski's, Stadtcousuls uud Leibarztes des Königs Johann III., im
Jahre 1620 von dem polonisirten Italiener Peter Krasowski gebaut. Aus bossirteu
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Band 19
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Galizien
- Band
- 19
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.48 x 22.34 cm
- Seiten
- 920
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch