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einstigen interkonfessionellen Einrichtungen, ein Vermächtniß ans den fernen Zeiten,
in welchen es die internationalste und polyglotteste Stadt auf dem ganzen Gebiete
des Polenreiches gewesen ist. Polnische, deutsche und italienische Katholiken, rnthenische,
griechische und bulgarische Orthodoxe, protestantische Schotten, Mohainedaner und Juden
vertrugen sich hier zn Zeiten im Handel und Wandel friedlich miteinander.
Der älteste, ehrwürdigste religiöse Monumentalbau ist die lateinische Domkirche,
zu der nach einer geschichtlich nicht festgestellten loealen Überlieferung König Kazimir der
Große den Grundstein gelegt haben soll.
Ein gothischer Bau, nachweislich in das XIV. Jahrhundert zurückgehend, hier
an den Enden der westlichen Cultur, in dem „Tatarenschlnnde", in der damals so
wirren reussischen Welt — gewiß ein historischer Adelsbrief für die Stadt! Der Dom,
an dem sehr lang gebaut wurde — die letzten Baumeister waren Jochem Grom und
Ambros Rabisch aus Breslau — ist ein Denkmal aus der deutschen Epoche Lembergs,
ähnlich wie die Marienkirche in Krakau ein frommes Werk der deutschen Ansiedler,
die sich auch hier als ein gemeinsinniges, städtebildendes Element erwiesen und denen
der locale Chronist Zimorowiez nachrühmt, daß sie den urwüchsigen autochthonen
Renssen gezähmt und bekehrt haben — e silvestri urbarmm, e kioxanu klomanum
kaeientes. Nur die Abside hat den ursprünglichen gothischen Charakter beibehalten,
während der ganze Dom durch Zubauten und eine unglückselige Restaurirung im
XVIII. Jahrhundert zu einem uneinheitlichen, ziemlich mißgeformten Bauagglomerate
geworden ist. Das Innere, eine dreischiffige, vierpfeilerige Hallenkirche hat mit
Ausnahme des Hauptchores, wo noch der gothische Styl, allerdings in streng-
knapper, beinahe dürftiger Gliederung erhalten blieb, seinen ursprünglichen Charakter
verloren.
Gleich neben dem Dome, der Haliczergafse mit schmuckloser Rückfront zugekehrt,
steht die sogenannte Ölbergkapelle, von dem Lemberger Patrizier Georg Bonn, einem
reichen Tuchhändler, dem ehrwürdigen Ahnherrn eines der vornehmsten Bürgergeschlechter
— im Jahre 1609 erbaut — die steinerne Frontfa^ade mit üppigen Renaissaneesculptureu
gänzlich bedeckt, im Innern mit sehr vielem theilweise polychromen Bildhauerwerk
in Stein und Alabaster, von welchem die besten Theile dem genialen Johann Psister
zuzuschreiben wären, ausgeschmückt; ursprünglich ein Mausoleum der Boim'scheu
Familie, ein sprechendes Denkmal der Wohlhabenheit und der Prunkliebe des polnischen
Patrizierthums.
Gleich nach der Domkirche verdient die St. Andreas- oder die Bernhardiner-
kirche genannt zu werden, unstreitig eine der architektonisch vornehmsten Kirchen nicht
nur Lembergs, sondern auch Galizieus. Ihr Bau datirt aus deu ersten Jahren des
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Band 19
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Galizien
- Band
- 19
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.48 x 22.34 cm
- Seiten
- 920
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch