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Einige Schritte auf dem scheinbar ununterbrochenen Plateau und wir stehen am Rande
einer tiefen Lößschlucht. Der gelbe, ungeschichtete Löß bildet sehr steile, fast senkrechte
Wände, in denen zahllose Löcher die Existenz von Vogelnestern andeuten. Die Schlucht
ist trocken, nur nach einem Gewitter oder anhaltendem Regen schäumt unten eine trübe
Wassermasse, die die Schlucht erweitert und vertieft.
Einige Kilometer vor dem Marktflecken Miknlince bekommen wir zum ersten Male
eines der Erosionsthäler selbst zu Gesicht, nämlich das Thal des Serethflusses. Es ist eine
fast geradlinige, direet gegen Süden gerichtete Schlucht, an deren Wänden die Wirkung
der nagenden und meißelnden Kraft des fließenden Wassers deutlich sichtbar ist. Unten in
der Tiefe liegen die Ortschaften wie die Perlen an einem Faden längs des Flusses
aneinandergereiht und verborgen, und das wiederholt sich überall in Podolien. Wenn man
sich auf der Höhe des Plateau's befindet, bemerkt man mit Staunen, daß auf dem weiten
Gesichtskreise die menschlichen Behausungen so gut wie fehlen und man möchte die Gegend
für unbewohnt halten, würden nicht die Culturen das Dasein der Menschen verrathen.
Wie ein Mauerwerk ragt uns die Thalwand entgegen. Zu unterst zeigt sie ein roth-
braunes Fundament, daraus kommt ein schmales, grünliches, dann ein hellgraues, endlich
ein weißes Band, alles sehr regelmäßig horizontal angeordnet. Der Geologe belehrt nns,
daß der Fluß die wagrecht ruhenden Schichten durchsägte und somit den inneren Bau der
Hochebene aufschloß. Die tiefsten Ablagerungen bestehen aus uralten röthlichen Sandsteinen,
die unter den« Namen der Trembowlaer-Steine bekannt sind und ganz Ostgalizien mit
einem ausgezeichneten Treppen- und Trottoirmaterial versehen. Sie bilden das Liegende
der grünen Sande und hellgrauer Mergel der oberen Kreideformation, worauf endlich die
Sand- und Kalksteine des Mioeäns folgen, womit nun die Reihe der Meeressedimente
abgeschlossen wird. Es folgen die bereits erwähnten gelblichen Lößmassen, die unmittelbar
in die stellenweise sehr mächtige Ackerkrume (sogenannte schwarze Erde, poln, (^arnoxi^m)
übergehen. Merkwürdig ist die auffallende Asymmetrie solcher Thäler, an welchen das östliche
Ufer gewöhnlich steil, fast senkrecht, von der Vegetation beinahe ganz entblößt, das westliche
hingegen sanft geböscht und mit großen Lößmassen bedeckt ist.
Durch den kleinen Marktflecken Miknlince mit der gut erhaltenen Rinne eines
Schlosses aus dem XVI. Jahrhundert, das durch die öftere heldeumüthige Vertheidigung
gegen Türken, Tataren und Kozakeu berühmt ist, gelangen wir bald iu die anmuthig am
Gniezuabach gelegene Bezirksstadt Trembow la. Aus der Tiefe des Guiezuathales blicken
wir auf die rothen Wände des mächtig entwickelten devonischen Sandsteines, die von einer
schönen Schloßruine gekrönt sind. Die äußere Umfassungsmauer und die großen Basteien
sind noch sehr gut erhalten und ragen in die blauen Lüfte als stumme Zeugen jener großen,
blutigen Geschichte, die sich da einst abspielte. Die Lage des Schlosses ist nicht nur
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Band 19
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Galizien
- Band
- 19
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.48 x 22.34 cm
- Seiten
- 920
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch