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terrassenförmig erhebende Halbinseln bildet. Fast überall im Thale und an den nicht zn
steilen Gehängen wächst Wald und Gestrüpp; dort aber, wo der Strypaslnß mündet,
erblicken wir ein förmliches Hügelland, indem das Plateau durch die Deuudation in
zahlreiche bergförmige Lappen zerrissen wurde.
Wir lassen unseren Blick auf dem rechten Ufer in die Ferne schweifen: auf das
gesegnete, knkuruzreiche Pokutieu, auf den schmalen dunkelblauen Wall der Karpathen,
der wie eine zierlich gesäumte, am westlichen Himmel aufsteigende Wolke das ganze
Panorama abschließt. Was für ein prächtiges Bild! Was für ein Leben in dem Bilde!
Hoch über unseren Köpfen wiegt sich der Seeadler auf seinen Fittigen in den Lüften, die
lachenden Mövenschaaren stürzen sich kopfüber in die Tiefen des Thales, der schwere
Pelikan, der da zufälligerweise von seinen heimatlichen flachen Limanen verschlagen wurde,
blickt theils neugierig auf die ungewohnten Felsen, theils neidisch auf die Fischer, die
gerade auf einen großen Wels Jagd machen. Die Flößer, die dem Ponteuxin zueilen,
jauchzen uns einen Gruß zu, wir danken und behalten sie eine Zeitlang im Auge, bis sie an
der Krümmung hinter der rothen Wand verschwunden sind.
Ja roth, grün und wieder roth! Alles was uicht zu der Herrschaft der Flora gehört,
ist da im Osten Podoliens, Dank der mächtigen Entwicklung der devonischen Schichten,
roth und abermals roth, so die Thalwände, die Einschnitte, ja sogar der Staub auf de«
Straßeu, woher auch die vielen podolischeu Orts-Fluren-, ja sogar Völkernamen (Roth-
reußen) mit dem Beiworte roth (polnisch herzurühren scheinen.
So wandern wir sinnend längs des schönen Stromes dahin. Die waldigen Karpathen,
die ihn zeugten, verlassend, nähert er sich beim Städtchen Mikolajöw der Hochebene
und bildet durch längere Zeit ihre Südwestgrenze, bis er endlich bei Nizniöw ganz in
dieselbe eintritt und zum eigentlichen Plateauflusse wird. Von da angefangen bekommt
er keine Karpathengewässer mehr, weil der betreffende Theil des Gebirges schon
zum Donaugebiete (Pruth, Czeremosz) gehört, es werden von ihm nur die typischen
bereits oben angeführten Plateau- uud Steppenflüsse zur linken Seite aufgenommen.
Er fließt uuu in einem großartigen Erosionsthale, dessen steile Wände stellenweise über
150 Meter hoch sind. Die absolute Höhe seines Niveaus beträgt unterhalb vou Haliez
(wovon Galizien seinen Namen hat) bei Nizniöw, wo er zum eigentlichen Plateauflusse
wird, 192 Meter, bei Okopy an der russischen Grenze, wo er Galizien verläßt, 107 Meter;
berücksichtigt man dabei, daß die Länge des Stromes zwischen diesen beiden Punkten
228 Kilometer beträgt, so ergibt sich daraus sein mittlerer Fall mit 0 373 Bieter ans
1 Kilometer.
Eine Wanderung im podolifchen Flnßthale ist sowohl in geologischer als auch
in geographischer Beziehung sehr lehrreich und interessant. Man vergißt hier ganz die
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Band 19
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Galizien
- Band
- 19
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.48 x 22.34 cm
- Seiten
- 920
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch