Seite - 79 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Galizien, Band 19
Bild der Seite - 79 -
Text der Seite - 79 -
79
Durch die galizischen Beskiden nach Biala. — W i r verlassen Podgörze
die Schwesterstadt von Krakau und begeben uns mit der k. k. galizischen Transversalbahn
südwärts, um das sowohl landschaftlich interessante als auch industriell wichtige Gebiet
der galizischen Westbeskiden wenigstens flüchtig kennen zu lernen.
Bereits einige Kilometer hinter der Stadt gelangen wir in die anmuthige, wellen-
förmige Gegend der Salzthonsormation und Passiren die kleine Ortschaft Swoszowice,
berühmt durch ihre Schwefelflötze, deren Gewinnung jedoch in der letzten Zeit zufolge
eines großen Wasserandranges in die Gruben eingestellt werden mußte. Wir bewundern
das liebliche Panorama der Weichselebene zur Rechten, lassen unseren Blick über die in
weiter Ferne dämmernde Schloßruine von Tyniec und das Kloster von Bielany
schweifen und begrüßen bei der Station Radziszöw die karpathischen Vorberge. Mit jedem
Schritt wird die Gegend anmuthiger. Tief zu unseren Füßen schäumt der Gebirgsbach
Cedronka, die Berge werden immer höher und steiler, die Tannenwälder üppiger und
schattiger, man merkt, daß man sich dem Innern des Gebirges nähert. Wie eine überirdische
Erscheinung überrascht uns an der Biegung der Eisenbahn der Anblick eines schönen und
großen Klosters mit der gothischen Kirche, das den Gipfel des bewaldeten 406 Meter
hohen, ziemlich steilen Berges „Zarek" krönt. Das ist der berühmte Wallfahrtsort
Ka lwarya Zebrzydowska, zu dem jährlich über 200.00(1 Andächtige aus ganz
Galizien und auch aus dem Auslande pilgern, um vor dem wunderthätigen Muttergottes-
bilde Trost und Hilfe zn erflehen.
Wir verlassen die Eisenbahn und eilen bergan auf den Hügel, um das von dem
Krakaner Wojwoden Nikolans Zebrzydowski im Jahre 1603 erbaute Kloster näher zu
besichtigen. Die prachtvolle Aussicht von der Höhe des Berges, die im Süden eine waldige
Gebirgslandschaft, im Norden viele blühende Ortschaften aufweist, die unmittelbare Nähe
eines duftigen und schattigen Tannenforstes, zahlreiche alterthümliche Bilder nnd
Schnitzereien im Kloster und in der Kirche fesseln unsere Aufmerksamkeit. Zwischen dem
Berge Zarek, auf dessen Gipfel wir stehen, und dem Skawinaflnsse erblicken wir eine große
Menge kleiner Kapellen, die mit ihren weißen Mauern sich schön von dem dunklen Grün
der rauschenden Tannen abheben. Das ist der sogenannte Kalvarienberg, anf dem sich
gerade eine Procession andächtiger Wallfahrer dahin bewegt. Wir schauen eine Zeitlang
dem bunten Treiben der Andächtigen zu, wir besuchen die zahlreichen provisorischen Berkaufs-
läden, die volksthümliche Restauration „zur Sonne", wir lauschen dem eigenthümlichen
Gesnmme und Gebrumme der Bettler uud Büßer, bis wir allmälig angesichts fröhlicher
Gesichter, weltlicher Lieder nnd herzlichen Lachens zur Überzeugung gelangen, daß das
Bedürfniß, den irdischen Dingen auf einige Zeit zu entsagen, keineswegs das Hauptmotiv
der so zahlreichen Frequenz der galizischen Wallfahrtsorte bildet.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Band 19
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Galizien
- Band
- 19
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.48 x 22.34 cm
- Seiten
- 920
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch