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in Krakau noch in Großpolen zu behaupten. Dagegen entfremdete sich Schlesien, uuter
den Nachkommen Heinrichs durch neue Theilungen zu einer Reihe von kleinen Fürsten-
thümern zersplittert, immermehr dem polnischen Mutterlande.
Doch ist jene Vorherrschaft der schleichen Linie, wenn sie auch nur von kurzer Dauer
gewesen war, nicht ohne»Einfluß auf gauz Polen geblieben. Die deutsche Colouisation,
unter Heinrich dem Bärtigen in Schlesien schon weit verbreitet, eröffnete sich den Weg zu
den übrigen polnischen Gebieten. Infolge der Verwüstungen, welche der erste Mongolen-
einfall zurückgelassen, erschien besonders das Heranziehen von fremden Ansiedlern erwünscht.
Der erste Antrieb hierzu war schon früher, namentlich von Seiten der Cistercienserklöster
gegeben; jetzt wetteiferten Fürsten, Klöster, geistliche und weltliche Herren in Gründung
deutscher Ansiedelungen. Die Colonisation, welche sich in solcher Weise über alle polnischen
Länder verbreitete, war für dieselben eine wahre Wohlthat. Eine Menge frischer Arbeits-
kräfte wurde ins Land eingeführt, überall gestalteten sich die neuen Ansiedelungen zu
Vorbildern emsiger, freier Arbeit, welche auch auf die einheimische Landbevölkerung
einen wohlthätigen Einfluß ausübten. Bahnbrechend waren namentlich für die socialen
Verhältnisse die volkswirthschaftlichen Vortheile, welche bald durch die Colonisation
erzielt wurden. Überall begann man auch die alten polnischen Dörfer „nach deutschem
Rechte auszusetzen", wodurch an die Stelle der Leibeigenschaft, unter welcher die
Landbevölkerung verkümmerte, das freie Zinsverhältniß feste Wurzel faßte. Um die
Mitte des XIII. Jahrhunderts wurde auch eine Anzahl deutscher Stadtgemeinden in den
polnischen Ländern gegründet. Auch hierin ist Heinrich der Bärtige mit gutem Beispiele
vorangegangen. Die deutschen Ansiedelungen und die uach dem Muster derselben
umgestalteten polnischen Dörfer waren von sämmtlichen Lasten des polnischen Rechts,
von Abgaben und Staatsfrohnden, sowie von der durch die Castellaue ausgeübten
fürstlichen Gerichtsbarkeit befreit.
Die Errichtung einer mit den Freiheiten des deutschen Rechts ausgestatteten
Ausiedluug konnte nur auf Grund eines landesfürstlichen Privilegiums erfolgen. Die
zweite Hälfte des XIII. Jahrhuuderts bildet daher in Polen das eigentliche Zeitalter
der Privilegien. Die Geistlichkeit erkämpfte sie zuerst; noch zu Anfang des Jahrhunderts
war der polnische Episeopat mit dem Losungswort der „Exemption" ausgetreten, indem
er von den Fürsten die Befreiung der geistlichen Güter von den Lasten des polnischen
Rechts verlangte. Nach und nach wurden die Fürsten genöthigt nachzugeben, worauf bald
auch die Ritterschaft die vou der Geistlichkeit errungenen Privilegien für sich in Anspruch
zu nehmen begann. Es vermehrte sich in allen Fürstentümern mit jedem Jahrzehnt die
Anzahl der eximirten Guter, so daß gegen das Ende des Jahrhunderts aus dem früheren
System der fürstlichen Rechte nur noch klägliche Überreste vorhanden waren.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Band 19
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Galizien
- Band
- 19
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.48 x 22.34 cm
- Seiten
- 920
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch