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bedrängte Frau die Oberhoheit Ungarns für Haliez und Wladimir anerkannt hatte, nm
den Thron dieser Länder ihren Kindern zu erhalten.
Aber dieses Opfer half ihr uicht viel. Es folgten nun vierzig Jahre voll furchtbarer
Stürme, Thronumwälzungen, Wühlereien nnd Verfchwörnngen, die jeder Beschreibung
spotten. Der Haß, den sich Roman durch seine Grausamkeiten bei den Bojaren zugezogen,
ging nun auf dessen Kinder über, die zu wiederholteumaleu vertrieben, gegen deren Leben
sogar Nachstellungen gemacht wurden. Die verschiedensten Fürsten wurden ans den Thron
von Haliez erhoben und wieder gestürzt, oder Fremde, namentlich die Ungarn zu Herren
des Landes herbeigerufen. Bis wie weit sich die Leidenschaftlichkeit der Bojaren verstieg,
kann man an dem Beispiel der drei Jgorewiczen, der Söhne des im Liede gefeierten
Igor von Pntywl ersehen, die, von den Bojaren selbst zu Fürsten berufen, als sie die
Zügel fester zu ergreifen versuchten, von ihnen aufgehängt wurdeu. Weuu bei solchen
Zuständen das Land nicht schon damals einem Nachbar zur Beute fiel, so hatte es dies
uur der Unfähigkeit der damaligen Herrscher von Ungarn und Polen, Andreas' II. und
Leszeks des Weißen, und ihrer Rivalität zn verdanken.
Aber das Jahr 1214 schien in dieser Beziehung eine Entscheidung herbeiführen zn
sollen. Den Bojaren gefiel es damals, einen ans ihrer Mitte, Wkadystaw Kormiliczyc,
anf den Thron Romans zu setzeu. Diese Anmaßung bewog die beiden Nebenbuhler,
Andreas und Leszek, sich zu vergleichen; sie gingen unter einander den sogenannten Zipser
Ber t rag ein, wonach der fünfjährige zweitgeborene Sohn Andreas' II. Koloman die
dreijährige Tochter Leszeks Salomen heiraten und beide Halicz als Königreich erhalten
sollten. Man vertrieb den Usurpator und ließ das kleine Paar durch deu Erzbischof von
Gran zn Königen der Rnthenen oder Galiziens — denn so nannte sich Koloman — krönen
(1214). Da man gleichzeitig das Land Wladimir den Söhnen Romans überließ, schienen
die wichtigsten Ansprüche befriedigt uud die weiteren Umwälzungen im Lande beseitigt.
Der Zipser Vertrag hatte aber auch eine allgemeinere Bedeutung. König Andreas
schrieb damals an den Papst: „Wisse Eure Heiligkeit, daß die Fürsten und das Volk von
Haliez, die unserer Botmäßigkeit unterworfen sind, uns demüthig ersucht haben, daß wir
ihnen unseren Sohn Koloman zum König geben; sie wollen in Znknnst in Einheit nnd
Gehorsam der heiligen römischen Kirche verbleiben, falls ihnen erlaubt werde, vom eigenen,
dem griechischen Ritns nicht abzulassen". Das Reich Halicz sollte auf diese Weise der
Bestimmung, die ihm seine geographische Lage zu bieten schien, näher treten, ein Beispiel
der Vereinigung der Kirchen und Culturen geben, das auch für die übrige christliche Welt
nicht ohne Bedeutung bleiben konnte.
Das große Werk kam damals nicht zu Stande. König Andreas brach aus kleinlicher
Ländersucht schmählich den Vertrag von Zips und brachte so Alles aus den Fugen.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Band 19
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Galizien
- Band
- 19
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.48 x 22.34 cm
- Seiten
- 920
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch