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hatte sich mit dem römischen Stuhle ausgesöhnt und suchte nach dem Tode Georgs von
Podebrad nach einer eigenen Dynastie. In dieselbe Lage kam später Ungarn nach dem
Tode des Mathias Corviuus. Beide Lander wandten sich nach Polen, wo ans der
glücklichen Ehe König Kazimirs mit Elisabeth von Habsburg sechs blühende Knaben
entsprossen nnd gleichsam dazu auserkoren schienen, alle benachbarten Throne zn besteigen
und nm das polnische Reich herum ein immenses Gebiet jagiellonischer Klientelstaaten zn
gründen. Die kühnsten Pläne für die Zukunft wurden in der Krakauer Wawelburg ent-
worfen. Der älteste Sohn Kazimirs, Ladislaus, war zum böhmischen, der zweite, Kazimir,
nnd nach dessen frühzeitigem Tode der dritte, Johann Albert, znm ungarischen Könige
bestimmt; der vierte, Alexander, sollte in Lithauen regieren, dem fünften, Friedrich, der sich
dem geistlichen Stande gewidmet hatte, war das Bisthum Ermeland und damit der
maßgebende Einfluß auf den Orden, dem sechsten, Sigismund, der Hospodarenstnhl der
Moldau und Wallachei zugedacht. Nicht alle vou diesen Plänen wurden verwirklicht.
Ladislaus wurde zwar im Jahre 1471 als König nach Böhmen berufen und wußte
sich auf diesem Throne zu behaupten, dagegen mißlangen die Züge der Prinzen Kazimir
und Johann Albert nach Ungarn, denn die Ungarn zogen es vor, mit den Böhmen eine
gemeinsame Dynastie zu besitzen und riefen im Jahre 1490 den König Ladislaus von
Böhmen zu ihrem Könige aus. Der Hospodar der Moldau aber huldigte dem polnischen
Könige. Jedenfalls war dies der Augenblick der größten Entwicklung Polens nach anßen.
Gleichzeitig mit dieser äußeren Machtentfaltung ging in der inneren Entwicklung
Polens ein gewaltiger Umschwung vor sich. Der dreizehnjährige Krieg mit dem dentschen
Orden hatte znr Genüge gezeigt, daß Polen mit seinem mittelalterlichen Heerwesen den
ueueu gewaltigen Aufgaben der äußeren Politik nicht mehr gerecht werden könne. Dazu war
ein stehendes Heer und zu dessen Erhaltung eine allgemeine, ständige Besteuerung nöthig.
Diese zog aber einen vollständigen Bruch mit der ganzen mittelalterlichen Verfassung nach
sich, welche mittels Privilegien allen Ständen eine fast gänzliche Steuerfreiheit gewährleistet
hatte, so daß die ordentlichen Staatsausgaben nur aus den Einkünften der großen Staats-
domänen gedeckt, außerordentliche Stenern aber nur mit Zustimmung der betreffenden
Stände auferlegt werden sollten. Als uuu während des dreizehnjährigen Krieges die
Nothwendigkeit solcher außerordentlichen Steuern sich immer mehr geltend machte nnd als
diese Steuern sich bald zu ständigen auszubilden drohten, blieb mich ein heftiger Widerstand
der am meisten privilegirten Stände, insbesondere der Geistlichkeit, nicht aus. Während
aber die Anhänger der alten Verfassung, der Privilegien, sich zu deren Vertheidigung
immer mehr zusammenscharten, traten auf den Schauplatz des politischen Lebens neue
Elemente, welche den Kamps für die neue Orduuug der Dinge aufnahmen. Vor allem fühlte
sich der kleinere Landadel durch die Last der allgemeinen Wehrpflicht am meisten bedrückt,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Band 19
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Galizien
- Band
- 19
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.48 x 22.34 cm
- Seiten
- 920
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch