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unter Erzherzog Ferdinand d'Este zwang das polnische Heer unter dem Fürsten Josef
Poniatowski nach einem hartnäckigen Kampfe bei Raszyn zum Rückzüge und besetzte
Warschau. Als aber Poniatowski längs des rechten Ufers der Weichsel einen kühnen Zug
unternahm und Lemberg occupirte, zwang er den Erzherzog zum Rückzüge und besetzte
schließlich auch Krakau. Der Wiener Friede setzte diesen Kämpfen ein Ende, und Österreich
trat Westgalizien an das Herzogthnm Warschau, die zwei ostgalizischen Kreise Tarnopol
und Zaleszezyki an Rußland ab. Die weltbekannten Ereignisse der Jahre 1812 bis 1815
versetzten wieder alle Theile des ehemaligen Polens in die heftigste Erregung und zogen
sie in das Kampfgewühl hinein. Bei dem Wiener Congresse behauptete sich Österreich nur
in dem Besitze des ursprünglichen Galiziens, während das Herzogthnm Warschau als
Königreich Polen unter russisches Scepter kam und Krakau einen Freistaat bildete. Die
Kreise Tarnopol und Zaleszezyki kehrten wieder zu Österreich zurück.
Die Geschichte Galiziens in den nächsten drei Jahrzehnten nach dem Wiener Con-
gresse, unter der Regierung der Kaiser Franz I. und Ferdinand I. bietet wenig
Abwechslung. Das von dem Fürsten Metternich inangnrirte Regiernngssystem war ans
die Eonservirung des Bestehenden gerichtet und wurde in Galizien consequent befolgt.
Der im Jahre 1817 eingesetzte und periodisch einberufene ständische Landtag erlangte
keinen Einfluß auf die Entwicklung des Landes. Selbst seine mehrmals geäußerten Wünsche
nach Aufhebung des bäuerlichen Unterthanenverbandes wurden nicht erledigt und erst im
Jahre 1841 gelang es den Landständen, die Errichtung der Bodeneredit-Gesellschast zu
erwirken. Die Lemberger Universität, im Jahre 1805 aufgehoben, wurde im Jahre 1817
mit drei Facultäteu und einer Schule für Chirurgen wieder eröffnet, spielte aber in dem
geistigen Leben des Landes keine führende Rolle. Das gleichzeitig in Lemberg errichtete
Ossolinskische Rat io nal -Jns t i tn t beschränkte seine Wirksamkeit auf die Erhaltung
einer reichhaltigen Bibliothek und auf die Sammlung verschiedener Antiquitäten. Die
polnische Bühne erhielt sich in Lemberg seit dem Jahre 1795 und erlangte in der gräflich
Skarbek'schen Stiftung im Jahre 1842 eiue materielle Stütze. Die Literatur fand keine
Bedingungen zu einer gedeihlichen Entwicklung, und das geistige Leben schöpfte seine
Nahrung nur aus Büchern, die aus dem Auslande kamen und theilweise infolge der
damaligen Censurverhältnisse eingeschmuggelt wurden. Das benachbarte Königreich Polen
und später, nach der Bewältigung des in demselben ausgebrochenen Aufstandes vom Jahre
1830, die polnische Emigration in Paris, übten einen ziemlich nachhaltigen Einfluß auf die
Gemüther. Die freiheitlich-nationalen und die revolutionären Strömungen wurden aber
durch das herrschende Regierungssystem niedergehalten uud das Land blieb in Ruhe, bis
es durch die traurigen Ereignisse des Jahres 1846 plötzlich in Aufregung gerieth. Der seit
den Reformen Josefs II. aufrecht erhaltene sociale Bau der Gesellschaft wurde durch die
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Band 19
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Galizien
- Band
- 19
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.48 x 22.34 cm
- Seiten
- 920
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch