Seite - 307 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Galizien, Band 19

307 Ausgleichung der Anzahl fehlt, so lädt man irgend einen Armen ein. Das Essen beginnt mit dem berühmten polnischen „Barfzcz", welcher diesmal mit Schwämmen zubereitet ist, danach kommen abwechselnd Kartoffel, Kraut, Felderbsen, Hafergrütze, Pirogi mit Zwetschkenmuß (analog den österreichischen „Powidltatfchkerln") Heidegrütze, gelbe Rüben, Hirsebrei, Mohnnudeln und endlich ,?ampueki,« das ist eine Art aus Weizenmehl bereiteter Krapfen, die in Öl gebacken, mit Zucker bestreut und mit Honig bestrichen werden. Es ist nicht gebräuchlich, während dieses Fastenmahles Bier, Branntwein oder andere geistige Getränke zu sich zu nehmen. Man trinkt Wasser oder den gekochten Saft gedörrter Pflaumen oder Birnen. In manchen Gegenden trinkt man bei diesem Mahle gar kein Wasser und behauptet, daß man im entgegengesetzten Falle das ganze Jahr hindurch von Sodbrennen geplagt würde. Beim Verzehren der verschiedenen Gerichte gibt es in den verschiedenen Gegenden mannigfaltige Bräuche. So z. B. wenn man Kraut zu essen beginnt, versetzt der Hausherr dem ihm zunächst Sitzenden einen leichten Schlag auf den Kopf und spricht dabei: „Falte dich, Kräutchen, falte dich!" Das wird von den anderen der Reihe nach wiederholt. Wenn sie Erbsen essen, ziehen sie einander ein wenig an den Haaren und sagen: „Winde dich, Erbschen, winde dich!" oder „Binde dich, Erbschen, binde dich!" Außerdem faßt der Hauswirth einen Löffel voll Erbsen aus der Schüssel und wirft sie zum Fenster hinaus, indem er spricht: „Da, Wölfchen, nimm die Erbsen wahr, komm' nicht zu uns vor'm neuen Jahr." Beim Essen des Hirsebrei's schlagen sie einander auf die Köpfe und sagen: „Büschle dich, Hirschen, büschle dich!" (wachse in Büscheln). Bei den Kartoffeln sagt man: „Keimt, Kartoffel, keimet!" Bei Mehlspeisen heißt es: „Vermehr' dich, Getreide, vermehr' dich!" Wenn man Kraut ißt, so darf man den Löffel nicht davon abschlenkern, da sonst die Raupen im nächsten Jahre das Kraut abnagen würden. Man beobachtet, wessen Schatten während der Mahlzeit der längste und schärfste sei; das Urbild desselben wird am längsten leben. Sobald das Mahl beendet ist, kuieen alle abermals zum Gebete nieder und danken Gott dafür, daß er ihnen gewährte, diese Vigilie zu erleben, oder sie stimmen eine ^kolencka-, das heißt ein für die Weihnachtszeit bestimmtes Lied an. Die ganze Hütte, das ganze Dorf erdröhnt von diesen Gesängen, daß es ordentlich „schüttert". Dann verstummt der Gesang auf eiue Weile, denn es muß noch Vieles vollbracht werden; der Hauswirth löst die Strohgarbe oder deren zwei oder drei, wie viele er eben hereingebracht hat, auf und wirft sammt den jungen Burschen Händevoll davon nach dem Gebälk und der Zimmerdecke; je mehr Strohhalme zwischen den Tragbalken und der Decke haften bleiben, nm so reicher wird die Ernte des kommenden Jahres sein. Die Mädchen laufen in den Hof hinaus und rufen: „Holla ho!" Von welcher Seite nun das Echo zurückhallt, von dort her wird der Zukünftige kommen. Andere laufen bis an den Bach hinaus und 20*