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bald den Trab, bald den Schritt des Pferdes vor. Die Kopfbewegungen sind gleichsam
das Herumdrehen des Renners. Bald wirft sich der Reiter geschickt herum, bald wieder
hält er im vollen Lanf ein, bleibt stehen und schlägt die beschlagenen Absätze aneinander.
Der Jüngling, welcher mit seiner Rechten ein Mädchen an ihrer Linken hält, zieht sie mit
Leichtigkeit mit fort, als entführte er sie zu Pferde. Sie hingegen zieht ein wenig zurück,
gleichsam einen Liebeskampf mit der unseren Frauen eigenthümlichen Beschämtheit
durchführend. Endlich faßt sie, nach einer nicht allzu langen Flncht, der Ritter um die
Mitte und schließt den Tanz, indem er sich mit ihr wie ein Wirbel im Kreise dreht uud
mit scharfen Hotubcy die Figur abschneidet; ein Zeichen der Bereinigung und der erfüllten
Gelübde des Familienkreises." Im Maznr des maznrischen und Krakauer Landvolkes
kommt nur das Tanzen im preise sammt dem Stampfen der Füße nnd dem funken-
sprühenden Schlagen der Absätze vor. Der Tanz wird dadurch monoton wie das Leben
des Maznren und ziemlich gemächlich wie die Natnr des Mazuren; allein er ist nicht
ohne Nachdruck und Kraft.
Was die Goralen aus dem Mazur gemacht haben, das wird uns die Beschreibung
des „Kleinen" und des „Räubertanzes" lehren. Der „Kleine" heißt dieser Tanz, weil er
in lebhafterem Tempo getanzt wird, als der Mazur, welcher in vielen Gegenden „Der
große Tanz" genannt wird. Hier folgt eine Beschreibung des „Kleinen", welche wir einem
hervorragenden Kenner des goralischen Wesens (Witkiewiez) verdanken: „Der Bursche,
welcher mit einem Mädchen diesen Tanz ausführt, stellt in einem kurzen aber tollen
Moment der Raserei die ganze Geschichte der Liebe dar. Die Lockrufe der Vögel, das
Kollern des Täuberichs, das Umkreisen der Taube durch den Tauber sind diesem Tanze
vollkommen ähnlich. Das Mädchen länft, steif gleichgiltig. mit kleinen Schritten, von
einem Ende der Stube zum andern nnd weicht immer dem Burschen aus, welcher mit
gesenktem Kopfe, vorgebeugt, stampft, sich schüttelt, sich um sich herumdreht, sich wie ein
Toller herumreißt, neben ihr kleine Kreise zieht, während er dabei in die Hände klatscht oder
diese nach ihr ausstreckt. Endlich ergibt sich das Mädchen; da macht der Bursche einen
Luftsprung, als würde er von irgendwo herausgeschossen, und beide stürzen sich mit heftiger
Bewegung einander in die Arme. Es kann gar nichts mit der Kraft, Leidenschaft und
rasenden Heftigkeit dieses durch den Tanz ausgedrückten Romanes verglichen werden."
Es ist charakteristisch, daß sich ein ebensolcher Roman eines ritterlichen Menschen
nur eben in vornehmer Form sowohl in der Polonaise, als im Mazur, dem Krakowiak
und dem Obertas ausgedrückt findet. Nur im „Räubertanz" verschwindet der Liebesroman
gänzlich ; cr wird mir von Männern getanzt. Jeder von ihnen, einer nach dem andern,
stellt sich, nachdem er vorerst seine „Cinpaga" (das dem Goralen als Stock dienende
Beilchen) in die Erde gepflanzt, vor den Musikanten, so wie das die polnischen Bauern
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Band 19
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Galizien
- Band
- 19
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.48 x 22.34 cm
- Seiten
- 920
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch