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dieses Landstriches sich in größeren Massen zusammenzuscharen, so daß Dörfer von 1000
bis 3000 Einwohnern nicht zu den Seltenheiten gehören. Die Ansiedler suchten stille
verborgene Thäler auf, um sich häuslich niederzulassen. Man muß daher gewöhnlich
jähen Weges in das Thal hinuntersteigen, wo sich das malerische Dorf mit seinen dicht
nebeneinander angelegten Gehöften an einen Fluß oder Bach erstreckt, welche, zu Teich-
anlagen ausgenützt, kleine, primitiv eingerichtete Dorfmühlen in Bewegung setzen. Die
podolischen Dörfer unterscheiden sich auf den ersten Blick dnrch ihr eigenartiges Gepräge
von den Ortsanlagen anderer Gegenden in Galizien. Die Dörfer sind langgestreckt. Die
Gehöfte ziehen sich in zwei Reihen längs einer Gasse nnd sind entweder mit einer Hecke
nmzännt oder, namentlich in waldarmen Gegenden, mit Steinmauern oder einein Erdwall
umgeben. Zur größeren Festigkeit sind diese Erdwälle gewöhnlich mit Weiden oder mit
Teufelzwirn (I^ciuni dardarum) besteckt, so daß die Häuser hinter diesem Walle kaum
zur Hälfte herausschauen. An dem einen Ende des Dorfes befindet sich gewöhnlich der
Edelhof mit einem Park, in der Mitte des Dorfes ragt von alten Linden umschattet die
ruthenische Kirche, meistens aus Holz gebaut, mit drei Kuppeln uud einem einstöckigen
Glockenthurm hervor. In der Nähe befindet sich gewöhnlich das Pfarrhaus uud gegenüber
der Kirche nicht selten die Dorfschenke.
Die podolischen Bauernhütten, sowie auch die Wirtschaftsgebäude bestehen ans
geflochtenen, mit Lehm angeworfenen und in Holzpfeiler eingefaßten Wänden. Die Dächer
find mit Stroh stufenartig gedeckt und bei wohlhabenderen Bauern mit einem aus hölzernem
Flechtwerk hergestellte» uud mit Lehm angeworfenen Rauchfang versehen, wogegen ärmere
Leute Hütten ohne Rauchfang (küina ekäta) bewohnen, in denen der Rauch theils durch
die geöffnete Thür entweicht, theils sich auf dem Dachboden verliert. Daher sind die Wände
stark angerußt und sehen wie schwarz angestrichen aus. Die Hütte des ärmeren Bauern
besteht aus einer Wohnstube und einem Vorhause; bei den reicheren findet man in der
Mitte des Gebäudes ein Vorhaus (sin^), aus welchem eine Thür links in die Wohnstube,
rechts in das Gastzimmer (Switt^eia) und die dritte gradaus in die Kammer führt. Letztere
dieut als Aufbewahrungsort von Lebensmittel«, Leinwand, Garn und Arbeitswerkzeugen.
Sehr selten, und zwar nur bei den Wohlhabenden ist der Fußboden gedielt, sonst ist er
mit Lehm ausgeschmiert. Die Decke ist gewöhnlich aus Brettern gezimmert und wird durch
einen auf der Außenseite mit Ornamentik verzierten Balken (s^vülok) gestützt. In der Mitte
dieses Balkens ist gewöhnlich ein Kreuz und ein Bibelspruch eingeschnitzt. In ärmeren
Hütten befinden sich zwei qnadratsörmige Fensterchen, welche in den Lehm eingefügt sind
und gar nicht geöffnet werden. Bei reicheren Bauern sind die Fenster zum Öffnen ein-
gerichtet, und zwischen denselben befindet sich ein kleiner Spiegel in einfachem Rahmen.
Rechts an der Eingangsthür befindet sich in der Wohnstube ein offener Wandschrank
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Band 19
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Galizien
- Band
- 19
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.48 x 22.34 cm
- Seiten
- 920
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch