Seite - 425 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Galizien, Band 19
Bild der Seite - 425 -
Text der Seite - 425 -
425
(VVolM) erhalten, wo nach der Niederwerfung des Kijever Fürstenthums durch die
Tataren, das Volksleben derselben Entwicklung folgte, wie dies im XII. Jahrhundert in
allen ruthenischen Theilfürstenthümern sich kundgegeben hat.
Die geschichtlichen Ereignisse vom XIV. bis XVII. Jahrhunderte, die Einfälle
tatarischer und türkischer Horden im Ruthenenlande und die Anfänge des Kozakenthums,
dessen Centrum das Dnieprgebiet geworden war, bewirkten, daß das Epos der Theil-
fürstenperiode in das Kozakenepos aufgieug, welches die Benennung dümx führt.
Unter den Festliedern gebührt in Bezug auf Reichhaltigkeit und Mannigfaltigkeit,
sowie in Bezug auf den mythischen Werth der Vorrang den Weihnachtsliedern
skölaci^), welche zu Ehren der der Erde Licht und Wärme verleihenden Sonnen-
gottheit gesungen wurden. Die Weihnachtslieder enthalten Anklänge an religiöse Gebräuche
der vorchristlichen Zeit. Wir verweisen z. B. auf das oben angeführte Lied von der
Weltschöpfung. Allein es gibt auch viele Weihnachtslieder, neueren, christlichen Ursprungs
oder historischen Inhaltes, außerdem aber auch christianisirte Weihnachtslieder, in denen
anstatt heidnischer Gottheiten blos die Namen Christi, der Mutter Gottes, des heiligen
Petrus und andere substituirt wurden.
Die Ruthenen feierten in vorchristlicher Zeit nach der Wintersonnenwende die Geburt
der lichten Sonnengottheit, welcher eben die Kolaää-Lieder gelten. Es war das Fest
der Befreiung der Naturkräfte, die sich die heidnischen Ruthenen als Gottheit des Lichtes
nnd der Wärme vorstellten, aus der Gewalt des Winters, welcher als der Tod der Natur
angesehen wurde. Da aber dieses heidnische Fest mit der Geburt Christi zusammenfällt,
so hatte dies die Vermischung der betreffenden heidnischen Lieder und Bräuche mit den
christlichen zur Folge. In älteren Zeiten wurde die Gottheit des Lichtes und der Wärme
koladÄ genannt, wie dies aus der Hustyuier-Chronik zu ersehen ist. Die Weihnachts-
sowie auch die Neujahrslieder haben uns die alterthümlichen Formen der
patriarchalischen Zustände der Viehzucht und Ackerbau treibenden Bevölkerung erhalten,
da das rnthenische Volk die Formen der irdischen Familienzustände in den Himmel
übertrug. Unter den Koladä-Gottheiten treten am deutlichsten und öftesten hervor: Der
Vater-Hauswirth, die Mutter-Hauswirthin, Fräulein-Tochter, der Sohn als schöner
Junggeselle. Zu den beliebtesten Themen der Kolaäa-Lieder gehören die Schilderung der
Wirthschaft des Hausherrn, seine Ochsen, Kühe nnd Schafe, sein Bienengarten, sein Feld
dicht besäet mit Garbenschobern. In manchen mythischen Bildern, welche offenbar späteren
Ursprungs sind, spiegeln sich die Zustände der Fürstenperiode rnthenischer Geschichte ganz
deutlich ab. Die ehemaligen heidnischen Gottheiten erscheinen im Colorit der Fürsten-
periode der ruthenischen Geschichte, so daß in manchen kolaäa-Liedern die mythische
Unterlage ganz von dem historischen Gewebe der Fürstenperiode durchwirkt ist. Auch ein
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Band 19
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Galizien
- Band
- 19
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.48 x 22.34 cm
- Seiten
- 920
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch