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Die Kutyer und etwa noch die Aniatyner Armenier unterscheiden sich von den übrigen
„polnischen" Armeniern dadurch, daß sie nicht nur wie diese fest an ihrem Ritus hängen,
sondern noch von altersher ihre eigenen Sitten, Gebräuche und Vorurtheile bewahrt haben,
deren einige hier erwähnt sein mögen. So pflegen die Eltern um den Tänfling eine lange
Schnur zu wickeln, deren Knoten dann während des Ceremoniels von den Tanspathen
gelöst werden. Ein Vorurtheil verbietet es den Brautleuten während des Aufgebotes in der
Kirche zugegen zu sein. Während der Verlobung (sekamvöA), die immer im Hanse der
Braut, nach glücklicher Beendigung der langwierigen, oft sehr schwierigen Unterhandlungen
über die Mitgift, stattfindet, werden die Verlobungsringe von einem Priester geweiht. Am
Vorabend der Trauung versammeln sich im Hause des Bräutigams seine Freunde und
Verwandten. Während die Musik lustige Weisen spielt, erscheint ein Barbier, um alle
Anwesenden zu rasireu oder ihnen die Haare zu stutzen (tkeßin), und während er den
Kopf des Bräutigams vornimmt, stehen ihm zwei junge Leute mit brennenden Kerzen
zur Seite. Ein Pistolenknall deutet an, daß die Sendboten mit den Geschenken der Braut
angelangt sind. Aber sie wollen die Kleider, Wäsche und Pfeife nicht gleich hergeben, ein
scherzhafter Haudel beginnt, und schließlich müssen sie sich ihre hohe Forderung auf
einen ganz kleinen herunterhandeln lassen. Gleichzeitig läßt auch der Bräutigam
der Braut seine Gaben überreichen.
Am Hochzeitstage versammeln sich die Männer zuerst im Hause des Bräutigams;
von da begibt sich ein langer Zug, voran die Brüderschaften, deren Ältester einen mit
flatterndem Tuche nmbnndenen hohen Stab' trägt, dann der Priester, endlich
der Bräutigam mit den Freunden zum Hause der Braut, wo sie mit Süßigkeiten, Wein und
Musik empfangen werden. Jetzt wird erst die letzte Hand an die Toilette der Braut gelegt.
Auf einen in die Mitte des Zimmers gestellten Stuhl wird eiu großes Polster gelegt;
nachdem die Braut darauf Platz genommen, umringen sie die Brautjungfern, legen ihr
eine oft sehr werthvolle (häufig ausgeliehene) Brillantenkrone ins Haar nnd putzen sie mit
dem Myrthenschleier stattlich aus. Die Braut steht auf und wünscht ihren Brautjungfern,
die sich der Reihe nach auf das Polster setzen, es möge ihnen recht bald ein gleiches Glück
zutheil werden. Während der Hochzeitszug in den Wagen oder Schlitten Platz nimmt,
werden die Brautleute von allen Seiten mit Zuckerwerk und Süßigkeiten beworfen. Bei
der Trauung werden über den Häuptern der Brautleute kleine Kränze (bxsSß) gehalten.
Doch dies gehört schon mehr zum Ritus, auf den näher einzugehen ich mir versagen muß.
Am Tage nach dem üblichen Hochzeitsschmause werden den geladenen Gästen noch
verschiedene Eßwaaren (äaiös) ins Haus geschickt.
' Auf den Boronecer Fresken trägt der bärtige Anführer dex armenischen Schaar einen ähnlichen mit einem blauen
Tnche umwundenen Kawazän.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Band 19
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Galizien
- Band
- 19
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.48 x 22.34 cm
- Seiten
- 920
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch