Seite - 472 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Galizien, Band 19
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Wirkens zurück. Außer den Städten selbst, den Bauten, den mannigfaltigsten geschichtlichen
Denkmälern, blieb als lebendiges Zeugniß des deutschen Ursprungs des Handwerks und
Gewerbes in Polen in der Sprache selbst die gesammte hierauf bezügliche Terminologie,
welche — wenn auch zum Theile polonisirt — doch deutlich und zweifellos an ihre deutsche
Herkunft erinnert.
In späteren Zeiten gab es oftmals Gelegenheit für die Deutschen, sich in den
polnischen Ländern in größerer Anzahl anzusiedeln. So sind im Zeitalter der Reformation,
dann im XVII. Jahrhundert, endlich während der Regierung der beiden sächsischen Könige
viele Deutsche eingewandert. Doch hat diese Einwanderung keine weiteren Spuren als
nur die mehr oder weniger polonisirten Familiennamen zurückgelassen, indem die Ein-
wanderer rasch mit den Einheimischen verschmolzen. Erst in den Jahren 1781 bis 1785
erfuhr Galizien während der Regierung Kaiser Josefs II. eine zweite planmäßige deutsche
Colonisation. Einzelne Theile der Krongüter, Schulzengüter, sowie herrenlose Edelhöse
wurden zur Colonisation verwendet, die diesmal ausschließlich ländlichen Charakter trug.
Zwar ließen sich auch in den galizischen Städten zu Ende des XVIII. und zu Anfang des
laufenden Jahrhunderts zahlreiche deutsche Beamten-, Soldaten- und Handwerkerfamilien
nieder, doch war diese Einwanderung entweder spontan oder durch individuelle Verhältnisse
bedingt. Sie wurde auch in der zweiten oder dritten Generation vollständig assimilirt.
Dagegen bestehen die Eolonien auf dem Lande bis zum heutigen Tage.
Von allen Gegenden des deutschen Reiches, besonders aus Sachsen, Franken, aus
Schleswig und Holstein und vom Rheine wurden die Kolonisten nach Galizien geführt
und hier partienweise angesiedelt. Je 12 bis 20 Familien bildeten eine Eolonie, welcher
von der Regierung Ackerland, Häuser, Weideplätze und Waldungen angewiesen wurden.
Die Gesammtzahl der augesiedelten Familien dürfte nach amtlichen Quellen nicht höher
als auf 3500 veranschlagt werden; gegenwärtig — also nach mehr als 100 Jahren —
beträgt die Zahl der in den Eolonien lebenden deutschen Bevölkerung Galiziens höchstens
35.000 Menschen. Es ist also der Zuwachs als ein sehr schwacher zu bezeichnen, was in
der fortschreitenden Assimilirnng und Abbröckelnng seine Erklärung findet. Die prote-
stantischen Eolonien bestehen zwar intaet, was durch den Unterschied der Eonfesfion zwischen
ihnen und den Gemeinden der Umgebung und die Schwierigkeit der Wechselheiraten bedingt
ist, dagegen sind die römisch-katholischen Eolonien schon zum bedeutenden Theil assimilirt.
Die deutschen Eolonien in Galizien liegen verstreut an dem Nordabhang der
Karpathen, im Flußgebiete der Weichsel und des San und in der ostgalizischen Ebene. Sie
bilden nur selten Gemeinden für sich, gewöhnlich sind sie in polnische oder rnthenische
Gemeinden incorporirt. Sie unterscheiden sich aber von ihren Nachbarn und Gemeinde-
genossen ganz bedeutend. Schon die planmäßige Anlage der Kolonie sticht von der Anlage