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gebratene Huhnflügel, welche das ehemalige Passahopser vertreten; die bitteren Kräuter,
die an das bittere Sclavenleben in Mizrmm erinnern, die aus gestampften Äpfeln, Nüssen
und Wein zubereiteten, lehmartigen Charosos, welche an die Ziegelsrohne der Juden in
Egypten mahnen sollen; die Schale mit Salzwasser, als Symbol des von den Inden auf
ihrem Auszuge aus Mizraim trockenen Fußes durchschritteueu Meeres und endlich die
drei auf blanker Platte unter seidener Decke ruhenden mit Israel-Levi-Kohan bezeichneten
Mazzoths zur Erinnerung an die drei angeblich noch existirenden Stämme: Israeliten,
Leviten, Aroniten. Dann zieht der Hausvater den weißen Kittel an, um auch heute an die
Vergänglichkeit erinnert zu werden, und besteigt mit königlicher Miene den erhöhten Sitz
an der oberen Seite des Tisches auf einem mit Polstern belegten Sopha, welches einen
Thron darstellen soll; denn am Osterabend dünkt sich jeder Jude in seinem Hause ein König.
In gehobener Stimmung beginnt die feierliche Handlung, nachdem das Oberhaupt den
Segen über den Wein gesprochen. Auf die Frage des jüngsten Gliedes der Familie: „was
eigentlich dieser Abend mit seinen außerordentlichen Zurüstungeu bedeute?" beginnt die
Erzählung von der harten Sclaverei der Israeliten in Egypten, vom Eintreten der Brüder
Moses und Aron für ihre Befreiung, von den Wundern, die sie verrichteten, von den
Heimsuchungen Pharaos, von dem Auszuge aus dem Lande der Knechtschaft, dem Übergange
über das Rothe Meer, das sich zu beiden Seiten staute, um dem Volke Israel trockenen Durch-
zug zu gestatten, und von der Vernichtung der nachfolgenden Mizraiten. Die Erzählung
zerfällt in zwei Theile; zwischen dem einen und dem andern wird das traditionelle
Nachtmahl eingenommen. Der zweite Theil der Darstellung schließt mit dem eigenartigen
Poem der göttlichen Vergeltung: Die Katze fraß das Lämmchen — der Hund die Katze —
der Stock erschlug den Hund — das Feuer verzehrte den Stock — das Wasser das Feuer
— der Ochs sog das Wasser aus — der Schlächter schlachtete den Ochsen — der Todesengel
tödtete den Schlächter — „da kam Gott und tödtete den Todesengel, der den Schlächter
tödtete, der den Stier geschlachtet, welcher das Wasser trank, das das Feuer löschte, welches
den Stock verbrannte, der den Hnnd erschlug, der die Katze zerbiß, die das Lämmchen fraß".
Neunundvierzig Tage nach dem ersten Ostertag, die in den Synagogen allabendlich
laut gezählt und verkündet werden, findet das zweitägige Wochenfest oder Pfingsten statt;
das Fest der Offenbarung auf dem Berge Sinai, wo Jehova seinem Knechte Moses,
zwischen Wolken, Blitz und Donner, die zehn Gebote, die Grundlage menschlicher
Satzungen und die Anfänge der Civilisation, offenbarte. Synagoge nnd Wohnung werden
mit Laub und Blumen geschmückt und der sprießende Sommer gießt über Natnr und
Menschen seine heitersten Tinten.
Eine trübe Gedächtnißfeier gegen Ende des Jahres ist jene der Tempelzerstörung.
(70 u. Chr.). Mit Beginn des Monats Ab enthalten sich die Juden des Fleischgenusses;
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Band 19
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Galizien
- Band
- 19
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.48 x 22.34 cm
- Seiten
- 920
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch