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Gewohnheiten, andere Traditionen hatten, und bei denen sich eine andere Hansindnstrie
ausgebildet hatte.
Wir haben schon erwähnt, daß sich die Hansindnstrie des Bauernstandes mit unserem
Leben, mit Sitte, Geschichte und Tradition innig verflochten hat. Dies findet seine Erklärung
in dem steten Verkehr, welcher zwischen der Bevölkerung des Dorfes und der Familie des
Schloßherrn bestand. Wenn wir das häusliche Leben unserer Vorfahren betrachten uud
wenn wir alte Jngendcrinnernngen auffrischen, werden wir finden, daß diese traditionellen
Hausindustrien sehr oft die Bedürfnisse der gebildeteren und vermögenderen Classe versorgt
und befriedigt haben. Die Hauptbeschäftigung der Frauen fast aller Classen der Bevölkerung
war seit uralter Zeit die Haushaltung. Ihr größter Stolz war auch, alles Mögliche und
Nöthige für den Hanshalt im Hanse besorgen und verfertigen zu lassen. Die Frauen der
höchsten Würdenträger rühmten sich, bei Ausstattungen der Töchter Leib- und Tischwäsche
zu Hause verfertigen zu lassen, nud die feinsten und zartesten Stickereien wurden von
Dorsmädchen gemacht. Unter „mein Haus" verstand man seinen Wohnort, das Dorf,
oft die Gegend — man nannte das „Bei uns". Und man benützte die beste Hand-
fertigkeit einer Dorffamilie, um feinere Leinwand, feineren Teppich, besser ausgegerbtes
Thierfell für das Schloß, für den Ortsgeistlichen n. s. w. zu erzeugen. Die kriegerischen,
aber auch die friedlichen Beziehungen der Männer sowohl mit dem Orient, als auch
mit den westlichen Ländern ließen manchen Specialisten als Colonisten sich ansiedeln.
Besonders die vielen Beziehungen mit dem Orient, die Ähnlichkeit von Tracht, Rüstung
und Geräth ließen es den Rittern und Edelleuten sehr wünschenswert!) erscheinen, in
ihrer Umgebung Leute zu haben, welche mit orientalischem Gewerbe bekannt waren. Da
unsere Vorfahren, ob sie nun im Schlosse, in der Burg oder im Bauernhause wohuten,
sehr viel im Freien verweilen mußten, bei landwirthschaftlicher Arbeit, auf der Jagd, Reise
uud besonders im Krieg und Lager, waren bei ihnen Pelz und Teppich von großem
Werthe. Deswegen finden wir noch heute überall, wo Schlösser oder befestigte Burgen
sind oder waren, Familien von Kürschnern und Teppichwebern, wie z. B. bei Zbaraz,
Zalosce im Brodyer Bezirk, Alt- und Nensandcc u. s. w. Es kamen Fälle vor, wo Gefangene,
sogar solche, die schon als Sclaven verkauft und in verschiedenen fremden Ländern
beschäftigt gewesen, durch Verträge, Auslösung Geld und Tansch für andere Kricgs-
gcfangene aus der Sclavcrei in ihre Heimat zurückkehrten. So wurden auch Waffen-
schmiede und Eisenarbeiter aus Schweden und aus dem Westen hier angesiedelt, deren
Nachkommen noch jetzt in Kauczuga (Bezirk Lancut) gewaudte Drahtarbeiter, Schmiede
uud Schlosser sind, in Sulkowice uud Swiatuiki Werkzeuge und Vorhängschlösser liesern.
Es existirten sogar Priesterordcn (Trinitarier), deren Hauptzweck die Befreiung vou
Sclavcu und Kriegsgefangenen war. Die aus der Gefaugeuschaft Zurückgekehrten waren
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Band 19
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Galizien
- Band
- 19
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.48 x 22.34 cm
- Seiten
- 920
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch